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  • So oder so, es bleibt blau oder braun, das Gedicht:” Aspekte der Trakl-Rezeption Paul Celans by Christoph Grube
  • Bianca Rosenthal
Christoph Grube, “so oder so, es bleibt blau oder braun, das Gedicht:” Aspekte der Trakl-Rezeption Paul Celans. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2013. 131 S.

Teilnehmerinnen des Czernowitzer “Lesekreises,” der zwischen 1935 und 1938 der Lyrik vorbehalten war, berichten, dass Paul Celan nicht bei Rilke stehen blieb, sondern sich auch Hölderlin und Trakl zuwandte. Im ereignisvollen Sommer 1940 machte Celan eine Bekanntschaft, die von entscheidender Bedeutung für sein Leben sein sollte, die junge Schauspielerin Ruth Lackner. Auf den nächtlichen Heimwegen mit Ruth setzte Paul die im größeren Kreis begonnenen Gespräche über Dichter und Bücher fort. Rilke blieb ein Vorbild, doch fühlte er sich auch von Trakls Dichtung angezogen. In der Nachlassbibliothek Celans, im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar, gibt es fünf verschiedene Ausgaben von den Dichtungen Trakls (11). Neben der Primärliteratur finden sich auch Werke der Sekundärliteratur zu Trakl in der Bibliothek.

Georg Trakl (1887–1914) ist in Salzburg geboren und aufgewachsen. Er wurde Apotheker und erfuhr in Innsbruck Würdigung und Förderung im Kreise um die Zeitschrift “Der Brenner,” einer 1910 gegründeten österreichischen Zeitschrift für Kunst und Kultur, zu dem Ludwig von Ficker, Karl Kraus und der Architekt Adolf Loos gehörten. In seinem letzten Lebensjahr [End Page 136] stand Trakl in Kontakt mit Else Lasker-Schüler. Im ersten Weltkrieg wurde Trakl als Führer einer Sanitätskolonne von der Verzweiflung über das Leiden der Schwerverwundeten überwältigt; er setzte seinem Leben selbst ein Ende. Man verehrt ihn heute als den großen Lyriker seiner Generation. Seine Verse sind von abgestuften Farben und Klängen und Musikalität geprägt. Seine letzten Gedichte sind von hölderlinscher Sprachgewalt und stoßen bis an die Grenze des Sagbaren. Sein letztes Gedicht“Grodek” hat man “das gewaltigste abendländische Gedicht des Weltkrieges genannt.” In seinem Gedicht “Schöner Oktober,” nimmt Celan, auf Trakls letztes Gedicht “Grodek” Bezug. “Mit rötlichem Laub und mit braunen getarnt die Kanonen […] so finde das sickernde Blut hier unten ein brüderlich Rot” (18, 19).

Im Juli 1948 unterbrach Celan seine Reise ins französische Exil in Innsbruck, um Georg Trakl ein paar Blumen auf sein Grab in Mühlau zu legen. An Lackner schrieb er “Gestern war ich in Mühlau” (23). Celan, vom Eindruck den seine Gedichte auf Ludwig von Ficker machten, beeindruckt, wurde über Fickers Urteil ziemlich befangen, er, Celan “sei dazu berufen, das Erbe von Else Lasker-Schüler anzutreten” (25). Celan wollte sich in Trakls Tradition gestellt sehen. Dass Georg Trakl für Paul Celan zu den wichtigsten Dichtern gehörte, dürfte jedem klar sein, der einmal die “Todesfuge” gelesen hat und Trakls Gedicht “Psalm” kennt. So findet man Bildformeln mit vergleichbaren Konnotationen bei Trakl “schwarzer Frost,” “schwarzer Schnee” und “schwarzer Engel.” Da kann man auch die von Klaus Wagenbach angeführten Einstimmungen mit der Bildwelt Trakls wie “In seinem Grab spielt der weiße Magier mit seinen Schlangen” finden. Beispiele für die Trakl-Rezeption im Frühwerk Celans sind vielfach, obzwar nicht so eindeutig wie die von Rainer Maria Rilke (21). In seiner eigenen Ausgabe der Dichtungen Trakls unterstreicht Celan die erwähnte Verszeile und vermerkt darunter: “seltsam! Vgl. Todesfuge.” Auch hier also scheint die Wiederbegegnung zu einer Begegnung geführt zu haben (33). Aber leider wurde sie auch ein Faktor einer Hetzkampagne und Plagiatanklage von Claire Goll.

Schon mehrfach wurde in der Forschung auf den Einfluss Trakls insbesondere auf die frühen Gedichte Celans hingewiesen. Der Autor des vorliegenden Bandes Christoph Grube, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Augsburg arbeitet, weist hin, dass Celan sich Ende der 1950er Jahre erneut dem Werke Trakls zuwandte, einer in der Celan-Forschung kaum beachteten Rezeptionsphase in den fünfziger Jahren. So in dem ersten Band der Gesamtausgabe Trakl, Die Dichtungen, den Celan zu seinem dreißigsten [End Page 137] Geburtstag erhielt, findet man zahlreiche Anstreichungen und Anmerkungen von Celans Hand (37). Celan hat alle Farbwörter mit Bleistift unterstrichen. Bei Adjektiven betont er auch verwandte Begriffe wie “vergilbt,” “dunkel,” “hyazinthen...

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