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  • Robert Musils Roman Der Mann ohne Eigenschaften und seine künstlerische Rezeption in dem 1951 entstandenen Illustrationszyklus von Ernst Gassenmeier (1913–1952) by Michael Gassenmeier
  • Elmar Lenhart
Michael Gassenmeier, Robert Musils Roman Der Mann ohne Eigenschaften und seine künstlerische Rezeption in dem 1951 entstandenen Illustrationszyklus von Ernst Gassenmeier (1913–1952). Heidelberg: Winter, 2013. 261 S.

Kurz vor seinem frühen Tod 1952 nahm sich Ernst Gassenmeier eines zu diesem Zeitpunkt kaum bekannten, heute aber als epochemachendes Werk eingeschätzten Texts an und schuf 12 Illustrationen zu Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften. Zum Leben Ernst Gassenmeiers ist nur wenig bekannt. Der promovierte Chemiker verbrachte die Jahre nach seinem Studium in Mannheim, wo er sich ab 1942 mit der Malerei beschäftigte und ab 1945 erfolgreich ein Kunststudium absolvierte. Er fand Anschluss zur Kunstszene und war Gründungsmitglied der Vereinigung zeitgenössisches Geistesleben Mannheim e.V., die sich darum bemühte, die künstlerische Moderne im Nachkriegsdeutschland zu re-etablieren. In wenigen Jahren schuf Ernst Gassenmeier ein beachtlich breit gefächertes Werk. Er benutzte unterschiedlichste Techniken, seine Zeichnungen, Drucke und Malereien haben gegenständliche und ungegenständliche Motive. Die hier besprochenen Bilder sind Monotypien, eine Drucktechnik, die “sich bei Künstlern in den ausgehenden vierziger und fünfziger Jahren einer großen Beliebtheit erfreute” (29) und die Gassenmeier wohl auf Anregung seines Freundes Rolf Müller-Landaus wählte. Der Illustrationszyklus war wohl in erster Linie nicht dafür gedacht in eine Publikation von Musils Roman Eingang zu finden, sondern für eine Ausstellung konzipiert, die Ernst Gassenmeier noch selbst plante aber nicht [End Page 126] mehr ausführen konnte. Die entstandenen Monotypien sind also sowohl als eigenständige Kunstwerke zu sehen als auch als Auseinandersetzung mit einem literarischen Text.

Mehr als 60 Jahre nach ihrer Entstehung stellt sein Sohn Michael Gassenmeier Robert Musils Der Mann ohne Eigenschaften und die Illustrationen seines Vaters in den Mittelpunkt eines Buches mit einem schon fast barock anmutenden Titel. Michael Gassenmeier ist Literaturwissenschaftler am Department of Anglophone Studies an der Universität Duisburg-Essen mit dem Forschungsschwerpunkt Englische Romantik. Um der künstlerischen Rezeption eines Romans des 20. Jahrhunderts zu begegnen, der so stark wie kaum ein anderer rezipiert wurde, sowie dem ihm offenbar ungewohnten Terrain der Kunstkritik und -geschichte, wählt Michael Gassenmeier für den Blick auf die Literatur wie die Kunstwerke eine Methode, die man am ehesten mit “Close reading” bezeichnen könnte. Close reading bedeutet hier auch eine Neubefassung mit dem Roman, die dort ansetzt, wo auch die Lektüre seines Vaters, unbelastet von einer 70-jährigen Rezeptionsgeschichte, begonnen hat. “Dabei beschlich mich das durchaus ambivalente Gefühl, in die Fuß-stapfen meines Vaters getreten zu sein” (14), bekennt Michael Gassenmeier um gleich darauf zuzugeben, dass ihm eine große Zahl an Forschungsbeiträgen geholfen habe, Musils Roman zu interpretieren, allen voran Barbara Neymeyers jüngst erschienenes Psychologie als Kulturdiagnose. Die komplizierte Veröffentlichungsgeschichte von Der Mann ohne Eigenschaften bedingt aber, dass Ernst und Michael Gassenmeier sehr unterschiedliche Textvorlagen vor sich gehabt hatten, von denen aus sie ihre Lesart betreiben. Die erste der beiden Frisé-Ausgaben wurde erst 1952 veröffentlicht. Ernst Gassenmeier benutzte die dreibändige Erstausgabe aus den 30er und frühen 40er Jahren und hatte, wie erwähnt keine Sekundärliteratur zur Verfügung. Die Ausgangslage ist also eine durchaus sehr verschiedene.

In jeweils eigenen Kapiteln zu den zwölf Illustrationen, die den Kern des Buches ausmachen, folgt der Autor der Lesart des Künstlers, der in seinen Leseexemplaren—auch das ist hier wichtig zu vermerken—keine Zeugnisse seiner eigenen Lektüre hinterlassen hat. Dies wäre ein wichtiger Hinweis auf seine Lesart und Methode gewesen. Als Rezipienten haben wir es heute mit einem Set an abstrakt-metaphorischen Bildelementen zu tun, das Handlungsmomente und Typisierungen der Figuren scheinbar leicht les- und interpretierbar macht. Ein Spiel der Kombinatorik, das Text-in Zeichenelemente verwandelt. Ernst Gassenmeier hat den Bildern auf den Passepartous [End Page 127] Titel gegeben, die entweder auf einzelne Kapitel aus dem Roman verweisen oder eine Figuren-Beziehungskonstellation, deren Beschreibung sich einer Reihe von Szenen verdankt. Seine Technik besteht darin, dergestalt den Roman in lockerer Folge interpretierend in zwölf Stationen nachzuerzählen. Einer...

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