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Reviewed by:
  • Cornelius von Ayrenhoff. Ein Wiener Theaterdichter by Matthias Mansky
  • Wynfrid Kriegleder
Matthias Mansky, Cornelius von Ayrenhoff. Ein Wiener Theaterdichter. Hannover: Wehrhahn Verlag, 2013. 269 S.

König Friedrich II. von Preußen, der in Deutschland gern “Friedrich der Große” genannt wird, hat 1780 in seinem Büchlein De la litterature allemande die deutschsprachige Literatur seiner Zeit in Bausch und Bogen als unbrauchbar abqualifiziert. Eine Ausnahme ließ er allerdings gelten: Das 1771 bis 1781 in Berlin mit großem Erfolg gespielte Theaterstück Der Postzug oder die noblen Passionen des Wiener Dramatikers Cornelius von Ayrenhoff sei die einzige “vraie comédie originale.” Diese Wertschätzung teilten auch andere: Die Komödie wurde in der zeitgenössischen Kritik häufig positiv besprochen und binnen weniger Jahre ins Englische, Französische und Dänische übersetzt.

Die Germanistik des 19. Jahrhunderts, die an der Friedrich-Idolatrie kräftig partizipierte und den Preußenkönig zum nationalen Heros stilisierte, hat seinem literarischen Geschmack zu Unrecht nicht vertraut. Ayrenhoff ist sehr schnell aus dem Kanon der deutschen Literaturgeschichte gefallen und bis heute draußen geblieben—so wie die gesamte Literatur der österreichischen Aufklärung. Denn was in den habsburgischen Ländern geschrieben wurde, passte nicht in die schöne Teleologie, die einen unaufhaltsamen Aufstieg der deutschen Literatur von der Aufklärung und der Empfindsamkeit über den Sturm und Drang zur Klassik proklamierte. Auch die sich später etablierende österreichische Literaturgeschichtsschreibung konnte mit Ayrenhoff und seinesgleichen nichts anfangen, da sie vor allem am spezifisch “Österreichischen” interessiert war und dieses in der “Alt-Wiener Volkskomödie” zu entdecken vermeinte—einer anti-mimetischen Theatertradition, der Autoren wie Otto Rommel eine Kontinuität vom frühen 18. bis ins späte 19. Jahrhundert [End Page 121] unterstellten. Was sollte man da mit einem Autor wie Ayrenhoff machen, der noch im späten 18. Jahrhundert an Gottsched festhielt, sich gegen Shakespeare und den Sturm und Drang wandte, Schiller als Dramatiker verachtete und—horribile dictu—an der französischen Literatur orientierte Konversationskomödien schrieb? Nun—man ignorierte ihn.

Matthias Manskys Studie, eine Erweiterung seiner mehrfach preisgekrönten Wiener Dissertation aus dem Jahr 2010, ist nicht nur eine fundierte Monographie über diesen Autor. Sie bietet auch eine literarhistorische Perspektive, die sich den seit bald 200 Jahren üblichen Schemata verweigert und von der Situation in Wien, dem damals einzigen urbanen Zentrum im deutschen Sprachraum, ausgeht. Dort war nämlich alles ein bisschen anders als in Weimar oder sonst einer der deutschen Kleinstädte.

Cornelius von Ayrenhoff (1733–1819), ein hoher österreichischer Offizier, ein international erfolgreicher Dramatiker, ein Patriot im Sinn des 18. Jahrhunderts, war ein typischer Vertreter der österreichischen Aufklärung. Mansky rekonstruiert seine Biographie und seine Position im zeitgenössischen Theaterbetrieb, beschreibt die “Theaterdebatten im Wien des 18. Jahrhunderts” und konstatiert das lange Weiterleben des “politisch-klassizistischen Tragödienmodells” in Österreich, während im protestantischen Deutschland seit Lessing v.a. die privaten Konflikte bürgerlicher Protagonisten interessierten. Ayrenhoffs Erstling, die Tragödie Aurelius oder Wettstreit der Tugend von 1766 ist dafür ein Beleg—ein früh-josephinisches, staatsbejahendes Stück.

Ayrenhoff, entgegen seiner Selbsteinschätzung vermutlich ein besserer Lustspieldichter als Tragöde, vertrat auf dem Gebiet der Komödie gegen das auch in Wien erfolgreiche protestantische rührende Lustspiel, das im Dienst der moralischen Verbesserung stand, die Posse und orientierte sich an Molière. Satirische Verlachkomik ist sein Ziel, wie der Postzug zeigt, eine zynische Konversationskomödie, in der ein adeliger Pferdeliebhaber leichten Herzens seine Braut gegen vier Pferde, den titelgebenden “Postzug,” eintauscht.

Immer wieder greift Ayrenhoff in seinen Komödien in aktuelle Debatten ein. Seine Opposition gilt dem rührenden Lustspiel und der Sturm-und-Drang-Dramatik. In Erziehung macht den Menschen (1785) wird etwa der zeitübliche Topos von den vertauschten Kindern dadurch zu einem Happy End geführt, dass der adelige Vater seine Tochter, die sich als nicht blutsverwandt herausstellt, kurzerhand heiratet. Auch der politischen Satire macht Ayrenhoff seine Komödien dienstbar. Die Parodie Alceste (1782) orientiert sich an [End Page 122] Aristophanes und wendet sich gegen den kirchlichen Aberglauben, nicht unähnlich der berühmten Aeneas-Parodie Alois Blumauers. Ayrenhoffs dramatische Feindbilder sind Shakespeare, Calderon, Lope de Vega und die zeitgenössische Sturm-und-Drang...

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