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  • Wissens-Ordnungen: Zu einer historischen Epistemologie der Literatur ed. by Nicola Gess und Sandra Janßen
  • Julia Soytek (bio)
Nicola Gess und Sandra Janßen, eds. Wissens-Ordnungen: Zu einer historischen Epistemologie der Literatur. Berlin/Boston: De Gruyter, 2014. 293 pages.

Mit ihrem Sammelband Wissens-Ordnungen: Zu einer historischen Epistemologie der Literatur legen Nicola Gess und Sandra Janßen eine neue Publikation zu einem nicht mehr ganz so neuen Thema vor. Immerhin wird seit mehr als zwanzig Jahren mit einer gewissen Beharrlichkeit über ›Literatur und Wissen‹ diskutiert. Dabei ist auffällig an vielen Untersuchungen dieser Art, dass sie erst einmal neu verhandeln, was als ›Literatur‹ und als ›Wissen‹ gelten soll und sich so nicht selten zugleich als wissenschaftstheoretische Grundlagenreflexionen lesen lassen. Trotz der Heterogenität der Beiträge, die bis dato unter jenem Thema subsumiert wurden, sind hier seit etwa Ende der neunziger Jahre grob zwei verschiedene Ansätze zu unterscheiden:

Auf der einen Seite die sogenannten Poetologien des Wissens, verbunden mit einem theoretisch-methodischen Vorhaben, wie es mehrfach programmatisch von Joseph Vogl formuliert wurde (1991; 1997; 1999; 2011). Untersuchungen dieser Art operieren tendenziell mit einem Wissensbegriff Foucaultscher Provenienz, worüber nicht nur Bereiche jenseits von Wissenschaft und ‘Erkenntnis’, sondern in einer selbstreflexiven Schleife immer auch die historisch-spezifischen Möglichkeitsbedingungen von Wissen in den Blick genommen werden. Daneben wird mit einem Begriff von Poetologie gearbeitet, der dezidiert nicht einen wie auch immer gearteten Bereich von ‘Poetik’ oder Literatur anvisiert. Stattdessen sind es die poietischen Dimensionen, die Herstellungs- und Darstellungsformen von Wissen, die zum Element der Untersuchung werden. Auf diese Weise ergeben sich nicht nur “Regelmäßigkeiten” (Vogl 1999, 11) von Wissensformationen, die derart basal sind, dass sie vermeintlich essentialistische Demarkationen zwischen Disziplinen und Medien gleichermaßen unterlaufen, sondern es wird zugleich einsichtig, wie wenig sich die Produktion, Distribution und (An) Ordnung von Wissen von Fragen des Medialen trennen lassen. Dimensionen des Epistemologischen also, die rein inhaltsbezogenen Analysen schlicht entgehen.

Auf der anderen Seite lassen sich neben Untersuchungen im Gefolge Vogls seit längerem Ansätze verzeichnen, wie sie etwa mehrfach von Nicolas Pethes formuliert wurden (2003; 2004). Untersuchungen dieser Art betreiben bei [End Page 675] zumeist gleicher Etikettierung Forschung von durchaus anderem Zuschnitt, weist doch die theoretische Ausgangslage bereits ein gänzlich anderes Begriffs-design auf. In Bezugnahme auf die historische Epistemologie (die jedoch auch für Vogl einen zentralen Einsatzpunkt bildet), die anglo-amerikanischen literature-and-science-studies sowie insbesondere die Systemtheorie Luhmanns wird aus Untersuchungen zu Wissen im Sinne von ‘Episteme’ und Poetik im Sinne von poiesis eine Beobachtung der “gegenseitigen Konturierung von Wissenschaft und Literatur“ sowie der “Bedingungen […] unter denen Texte jeweils als literarisch oder als wissenschaftlich angesehen werden“ (Pethes 2004, 369). Das “leidige ›Und‹“, das die Poetologien des Wissens, wie es Roland Borgards richtig bemerkt hat, “gezielt […] vermeiden“ (Borgards 2001, 253), wird hier aber nicht durch Zufall wieder eingeführt. So wird Vogls Verortung der Untersuchungsgegenstände in einem epistemischen Raum und mithin die Fokussierung auf disziplinübergreifende Analogien als “differenzlose[s] Einheitsphantasma“ (Pethes 2004, 369), als Nivellierung von System-grenzen rezipiert. Gleichzeitig wird jedoch eine strikte Trennung im Sinne eines ‘Zwei-Kulturen Modells’, wie es paradigmatisch von Charles Percy Snow vertreten wurde, entschieden abgelehnt. Stattdessen soll “die Frage nach dem Transfer mit Foucault und Luhmann” gestellt werden (wobei der Schwerpunkt eindeutig auf letzterem liegt), indem “die wissenschaftliche und die literarische Anschlusskommunikation an Texten” ausgehend von einer Konzeption von Wissen als “kommunikative[r] Kopplungsmöglichkeit” (ebd.) untersucht wird. Im Gegensatz zu einer transdisziplinär wie medienkomparativ verfahrenden Wissenspoetologie auf Basis der Foucaultschen Episteme, setzen derartige Untersuchungen historisch zumeist mit der funktionalen Ausdifferenzierung der Gesellschaft ein und konzentrieren sich methodisch vorwiegend auf die Untersuchung von Texten, etwa auf die Untersuchung von ›Schreibweisen‹, die zwischen Literatur und Wissenschaft migrieren.

Blickt man nun auf die Einleitung, mit der Gess und Janßen ihren Sammelband vorstellen, dann lässt sich eine deutliche Nähe zu dem zweiten der hier vorgestellten Ansätze erkennen. So konzentrieren sich auch Gess und Janßen vornehmlich auf die Relation(en) zwischen Literatur und Wissenschaft und siedeln das Feld einer historischen Epistemologie der Literatur mithin genau zwischen einer Poetologie des Wissens und einem Zwei-Kulturen-Modell an. Dabei bemühen sich die...

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