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  • Introduction
  • Nele Hempel-Lamer (bio)

Als im Frühjahr 2012 unter dem Motto “aeiou—Global Austria” die Jahrestagung der Austrian Studies Association an der California State University Long Beach (csulb) stattfand, waren die Themen der über sechzig Vorträge breit-gefächert und auf zahlreichen Ebenen interdisziplinär vernetzt: Es ging um das Nationale und Globale in der Literatur-und Zeitgeschichte Österreichs, um Heimat-Verortungen und im Lokalen verankerte voyages intérieurs sowie um Intra-, Inter-und Multikulturalität, transnationale Hauptschauplätze und Peripherien.

Natürlich kann der hier vorliegende jas- Sonderband zum Thema “Global Austria” nur einen konzentrierten Blick auf thematisch enger Zusammengehörendes anbieten und trotzdem ist das Spektrum dessen, was in nur vier Forschungsbeiträgen, eingerahmt von der Konferenzansprache der Autorin Barbara Neuwirth und einem abschließenden Zeitungsessay zu Harald Friedls neustem Dokumentarfilm “What Happiness Is”, verhandelt wird, doch erstaunlich umfassend.

Unter dem Titel “Der stete Fluss der Globalisierung” erörtert Barbara Neuwirth einleitend und übergreifend die sozio-historische Entwicklung Österreichs im Spannungsfeld von imperialistischen und mitunter auch nationalistischen Einheitsbestrebungen und Vielvölkerstaat. Eingebettet ist dies in sprachgeschichtliche und philosophisch-politische Überlegungen zum Thema Transnationalität, sowie in den finanz-ökonomischen Kontext vom Beginn des Münzdrucks im Joachimsthal (dem Ursprungsort der Währungsbezeichnung “Taler”) zur modernen globalen Marktwirtschaft, in dem Fragen der Immigration/Binnenmigration und des Heimats-und Bleiberechts immer aktuell bleiben. Aus-und Eingrenzungen ebenfalls kritisch hinterfragend, liefert der erste Forschungsbeitrag im Band—“Von Österreichern, Europäern und Menschen. Für eine postnationale Literaturwissenschaft und gegen Nationalphilologien; unter Heranziehung einiger Essays Robert Menasses und [End Page xi] dem Werk Thomas Brunnsteiners”—dann ein ikonoklastisches Plädoyer für die Aufhebung der national-orientierten Literaturwissenschaft (en) und die Abschaffung von Definitionen, die sich in geographischen und politischen Grenzlinien erschöpfen. Das Thema Arbeitsmigration, das hier schon in der Analyse eines Textes von Thomas Brunnsteiner exemplarisch anklingt, setzt sich dann explizit in der detaillierten Film-Anaylse von Erwin Wagenhofers “Western”-Adaption “Black Brown White” fort, in der es im Zusammenhang mit der Verteidiung der “Festung Europa” auch um Themen wie Grenzen-und Gesetzlosigkeit, moderne Sklaverei und Menschenschmuggel geht. Die Nutzbarmachung des Genre-Zitats “Western” als Matrix der Analyse resultiert in einer bestechenden Interpretation, deren komparatistische Methodologie direkt überleitet zum nachfolgenden Beitrag—Intersection Vienna. Crime and Transnationalism in Post-Shoah Austrian Fiction and Films”—,der sich ebenfalls vergleichend an ein Genre anlehnt, dasjenige des internationalen Kriminalromans und Krimi-Films, um der komplexen und komplizierten Psychologie von Kindern und Enkelkindern der Holocaust-Generation auf die Spur zu kommen. Die Instabilität von Identität, unter der alle ProtagonistInnen der analysierten Roman-und Filmbeispiele im Rückblick auf ihre individuelle Familiengeschichte leiden, resultiert auch in einem Gefühl von Heimat-und Wurzellosigkeit, welches durch die globalen Schauplätze der jeweiligen Roman-beziehungsweise Film-Handlung noch unterstrichen wird. Der Blick zurück in die Vergangenheit ist ebenfalls wichtig im letzten Forschungsbeitrag—“Forming Identity through a Cinematic Exploration of the Past. Harald Friedl’s Austrian Trilogy”—der sich vor dem Hintergrund globaler und ökonomischer Strömungen und Zwänge auf das simultane Zusammenspiel zwischen Gegenwärtigem und Vergangenem in einer Auswahl von Harald Friedls in Österreichisch gedrehten DokumentarFilmen konzentriert. Auch hier geht es, wie schon der Titel des Beitrags verspricht, um die Frage nach Identität, nur handelt es sich dabei weniger um die Gestaltung von Krisen des Ichs (wie in den oben bereits angesprochenen Post-Shoa Texten der Kriminalliteratur) als vielmehr um den Versuch, vor einem spezifisch österreichischen Hintergrund das Allgemein-Menschliche in das Zentrum des kritischen Blickes zu führen, von lokaler, globaler und humanistischer Perspektive gleichzeitig kontrastiv und integrativ beleuchtet.

In einem Zeitungsessay anlässlich der österreichischen Premiere seines neusten Films “What Happiness Is” kommt Harald Friedl dann abschließend selbst zu Wort: Er lädt die Zuschauer ein, in seinem “Road Movie zum Glück” [End Page xii] die Grenzen dessen, was sich nach koventioneller Vorstellung statistisch erfassen und festlegen lässt—im politischen, historischen, geographischen und sozialen Sinne—zu überwinden und anhand der über 1000 Fragen umfassenden Fragebögen zur Messbarkeit des Bruttonationalglücks im entfernten Himalaja-Königreich Bhutan nicht nur vergleichend die Entscheidungen eines Landes, das ideelle Werte priorisiert und den ökonomischen Interessen vorzieht, zu...

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