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  • Georg Büchner und das 19. Jahrhundert by Herausgegeben von Ariane Martin und Isabelle Stauffer
  • Henri Poschmann
Georg Büchner und das 19. Jahrhundert. Herausgegeben von Ariane Martin und Isabelle Stauffer. Bielefeld: Aisthesis Verlag 2012. 339 Seiten. €29,80.

Der Band ist in der Studien-Reihe von Forum Vormärz-Forschung zum 175. Todestag Büchners 2012 erschienen. Er enthält neben Beiträgen der Herausgeberinnen weitere von elf anderen Autorinnen und Autoren, einige von ihnen mit in der Büchner- Literatur teils schon länger, teils erst seit jüngerer Zeit geläufigen Namen, wie dem der Herausgeberin Ariane Martin (Mainz), die im anschließenden Jubiläumsjahr 2013 zu Büchners 200. Geburtstag gemeinsam mit Bodo Morawe inzwischen bereits weitere einschlägige Studien im selben Verlag vorlegte (Dichter der Immanenz. Vier Studien zu Georg Büchner, 2013). Zum anderen Teil kommen die Mitautoren des hier zu besprechenden Buchs aus Bereichen kulturwissenschaftlicher und Medienforschung neu auf Büchner zu, wie auch Martins Mitherausgeberin Isabelle Stauffer (ebenfalls Mainz).

Behandelt werden, in dieser Reihenfolge angeordnet, die Themen: Büchners Verhältnis zu Aspekten der Zeit (von Norbert Otto Eke); sein Verhältnis zum fran-zösischen Republikanismus der 1830er Jahre (von Bodo Morawe); politischer und ökonomischer Egalitarismus im Hessischen Landboten (von Burkhard Dedner); Galanterierezeption in Danton’s Tod (von Isabelle Stauffer); Dickhäuter in Danton’s Tod und in zoologischen Darstellungen der Zeit (von Roland Borgards); Gedächtnisund Begegnungsort Straßburger Münster (von Ariane Martin); Büchner und die Autorschaft (von Michael Ott); Büchners Exzerpte zur Geschichte der griechischen Philosophie im Kontext der gleichzeitigen Philosophiegeschichtsschreibung (von Gidon Stiening); Philosophie in Leonce und Lena (von Ariane Martin); Rhetorikgeschichte in Leonce und Lena (von Stefanie Arend); Büchner und die Romantik (von Arnd Beise); Büchners Lenz- und Herweghs Schiller-Rezeption (von Matthias Luserke- Jaqui); Griepenkerls Adaption von Danton’s Tod (von Christian Neuhuber); Karl Emil Franzos und Woyzeck (von Dagmar Hoff). [End Page 511]

Den Studien im Anhang angeschlossen sind zwei “Dokumentarische Beiträge” von ungleicher Gewichtigkeit: Miszellen zu Quellen für Büchners literarische Werke (von Ariane Martin) und zum ersten Aufstand der Seidenweber in Lyon Ende 1831 im Spiegel der republikanischen Presse Straßburgs (von Bodo Morawe).

Im Vorwort geben die Herausgeberinnen an, dass sie zur Mitarbeit dazu eingeladen hatten, Büchner “möglichst unverstellt durch spätere Rezeptionsmuster im Kontext des 19. Jahrhundert zu beleuchten” (8). Der “junge Schriftsteller und Sozialrevolutionär, der auch Naturwissenschaftler und Philosoph war,” sei, so führen sie einleitend in etwas salopper Diktion zum Ausgangspunkt der Konzipierung des Unternehmens aus, “immer wieder als moderner Autor mit Blick auf das 20. Jahrhundert oder gar auf die Gegenwart hin betrachtet worden” (7). Diese Sicht könne, heißt es, “von heute aus den Blick auf den historischen Ort des Autors verstellen” (ebd.). Dem entgegen solle der Band Büchner “in seinem Jahrhundert historisch kontextualisieren” (8).

An dieser Aufgabe wird allerdings, spätestens seit Karl Viëtor und Hans Mayer, mit unübersehbaren Ergebnissen gearbeitet. Die beklagte Verstellung des Blicks auf Büchners in seinem historischen Kontext, zu der die Faszination späterer Autoren verleiten konnte, die von ihm wie von einem gerade erst auf den Plan getretenen Zeitgenossen inspiriert waren, war auch vordem schon problematisiert worden (GBJb 2 1982, 133; 137; 142; BHb 299). Dem Bild eines zeitlos modernen Büchner war entgegengekommen, dass in der Literaturwissenschaft zur gleichen Zeit mit der Abwendung vom Positivismus eine Enthistorisierung der Gegenstände einherging. Im Unterschied zu den produktiven Vorleistungen der Forschung zur Korrektur der indizierten Fehlorientierung schlagen die Herausgeberinnen nichts weniger und nichts mehr als eine Umkehr der beklagten Blickrichtung auf Büchner vor—als ob man die fulminante Wirkungsgeschichte, die sich im 20. Jahrhundert entfaltete, im Rückblick auf “das 19. Jahrhundert” ausblenden könnte, und nicht vielmehr jede Zeit die Gegenstände der Vergangenheit aus ihrer Sicht neu historisch zu “kontextualisieren” hätte.

Der in Anschlag gebrachte Begriff des Jahrhunderts als Büchners historischer Kontext bleibt nicht nur inhaltlich unbestimmt. Wichtige Koordinaten darin (Marx, Darwin, Nietzsche), ohne die Büchners Position nicht zu verorten ist, fehlen oder (Marx) kommen nicht mit ihrem eigentlichen Schwerpunkt ins Blickfeld. Das dem Autor zugewiesene Jahrhundert scheint eher...

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