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  • Die Kunst der Galanterie. Facetten eines Verhaltensmodells in der Literatur der Frühen Neuzeit Hrsg. von Ruth Florack und Rüdiger Singer
  • Christophe Losfeld
Die Kunst der Galanterie. Facetten eines Verhaltensmodells in der Literatur der Frühen Neuzeit. Herausgegeben von Ruth Florack und Rüdiger Singer. Berlin und Boston: de Gruyter, 2012. vii + 499 Seiten + 11 s/w + 2 farbige Abbildungen. €99,95.

Dieser Sammelband, an dem fast 20 Literaturwissenschaftler mitgewirkt haben, spiegelt den Aufschwung der Galanterie-Forschung in Deutschland in den letzten Jahren wieder. Wie die Herausgeber Ruth Florack und Rüdiger Singer in einer klar strukturierten und informativen Einleitung zu Recht betonen, ist dieser Aufschwung maßgeblich den Arbeiten von Florian Gelzer und Jörn Steigerwald zu verdanken, die der Forschung zur Galanterie neue Impulse gegeben haben. So sprach ersterer von der Galanterie als “ästhetischer Überblendung prudentistischer Verhaltensideale” und letzterer von ihr als der “Präsentation einer Ethik in actu, die zugleich distinkt und distinguierend die fiktionalen Protagonisten und die realen Akteure der Galanterie verbindet.” Dabei haben sie den Weg geebnet zu Untersuchungen über die Entstehung der Galanterie als Verhaltensmodell einer Elite, über das Verhältnis zwischen der Galanterie und den soziohistorischen Kontexten, die sie hervorgerufen haben, und nicht zuletzt über den Transfer dieses Verhaltensmodells von einer höfisch orientierten Elite Frankreichs in das sozial grundlegend anders organisierte Deutschland sowie über die Modifikationen, die mit einem solchen Transfer einhergehen.

Folgerichtig steht demnach am Anfang des Bandes ein Beitrag von Alain Montandon, der mit der bei ihm üblichen Präzision und Ausdifferenzierung eine synthetische Darstellung des Galanterie-Motivs in Frankreich zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert gibt und somit die Folie liefert, auf deren Hintergrund die transfer-bedingten Veränderungen besser eingeschätzt werden können. Aber auch die oft für [End Page 304] Frankreich als paradigmatisch verstandene Galanterie ist in einer langen Tradition verankert, die im ersten großen Block der Beiträge eingehend untersucht wird (“Traditionen: Modelle höfisch-geselliger Interaktion in Mittelalter und Renaissance”). So werden Parallelismen zwischen der Galanterie und mittelalterlichen sowie frühneuzeitlichen Modellen herausgearbeitet (Caroline Emmelius) und dies nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland, sodass klarer werden kann, warum die Galanterie sich auch dort etablieren konnte. Hartmut Bleumer untersucht z. B. die These einer möglichen Verankerung der Galanterie im Minnesang als “artistisch-performative Form symbolischen Handelns” (90) und Manfred Hinz sowie Franziska Meier erkunden unter unterschiedlichen Blickwinkeln die Bedeutung von Castiglione für die Entstehung der Galanterie. Hervorzuheben ist dabei die philologische Genauigkeit und Akribie, mit der die Autoren überlieferte Thesen unter die Lupe nehmen und sie gegebenenfalls relativieren.

Im zweiten Block des Sammelbands (“Ästhetische Vermittlungen der galanterie française im 17. und 18. Jahrhundert”) widmen sich Jörn Steigerwald und Anke Detken in zwei sehr gelungenen Beiträgen der literarischen Vermittlung der Galanterie in Frankreich, ein durchaus legitimer Schritt angesichts der Bedeutung der Literatur für dieses Verhaltensideal (das kein Abbild der sozialen Wirklichkeit darstellt, sondern sie vielmehr modelliert). Andreas W. Vetter seinerseits zeigt, wie dieses normative Verhalten auch über die neue Bildgattung der Fêtes galantes à la Watteau propagiert werden konnte.

Der dritte Block lenkt den Blick auf den Transfer von Frankreich nach Deutschland, der an verschiedenen Vermittlern thematisiert wird. Dabei werden sowohl Diskurse entfaltet, die ganze Schichten berücksichtigen (so z. B. bei Johannes Süßmann, der soziologisch argumentierend erklärt, warum der deutsche Adel nur begrenzt im Stande war, die Galanterie zu rezipieren, habe es doch im Reich “kaum Adelsgruppen [. . . ] gegeben, die so stark entfunktionalisiert und von der Herrschaft ausgeschlossen wurden wie der Hochadel in Frankreich unter Richelieu” (337). Dass eine solche Übertragung der Galanterie auch mit einer durch die unterschiedlichen gesellschaftlichen Konstellationen bedingten semantischen Verschiebung einhergeht, erhellt auch in den Überlegungen von Bernhard Jahn zum Musiktheater. Zwei weitere Beiträge befassen sich mit der Verbreitung der galanten belle danse (Marie-Thérèse Mourey) bzw. den Übersetzungen von Madame de Scudery (Isabelle Stauffer), die zwischen 1670 und 1685 ein allmähliches Verschwinden der für die französische Galanterie kennzeichnenden weiblichen Dominanz belegen—was selbstverständlich das Problem der Zielleserschaft dieser Literatur in Deutschland aufwirft.

Der vierte Block des Bandes (“Roman und galante Conduite in Deutschland 1680–1740”) kreist um das...

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