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  • Metamimesis: Imitation in Goethe’s Wilhelm Meisters Lehrjahre and Early German Romanticism by Mattias Pirholt
  • Franz R. Kempf
Metamimesis: Imitation in Goethe’s Wilhelm Meisters Lehrjahre and Early German Romanticism. By Mattias Pirholt. Rochester, NY: Camden House, 2012. Pp. x + 220. Cloth $85.00. ISBN 978-1571135346.

„Schlegel’s poetics of indolence, Novalis’s aesthetics of simulation, and Brentano’s conception of love,“ so heißt es in der vorliegenden Monographie, „constitute various ways of addressing—politically as well as philosophically—the destabilizing context [End Page 172] of modernity“ (192). In Lucinde, Heinrich von Ofterdingen und Godwi geschieht dies durch „critical counterimages,“ deren „mimetic self-reflectivity“—definiert als „constant use of such figures of imitation as repetition, resemblance, remembrance, and analogy“—einen Raum schafft für „transcendental investigations of society“ (192).

Seit Erich Auerbach die Romantiker aus seiner Mimesis-Diskussion ausschloss, ist sich die Kritik relativ einig, dass am Ende des 18. Jahrhunderts die Nachahmung („imitation,“ „reproduction“) durch die Darstellung („representation,“ „production“) ersetzt wird. Unter Einbezug theoretischer Gewährsleute wie Benjamin, de Man, Baudrillard, Derrida und Lacoue-Labarthe widerlegt M. Pirholt die gängige These von der Mimesis-desavouierenden Romantik und behauptet, dass die Frühromantiker sich Mimesis und Poiesis selbstkritisch und dialektisch zunutze machen. Er betrachtet die erwähnten Romane als metamimetische Experimentierfelder, auf denen Schreiben zu einem—im Kantschen Sinne—transzendentalen Verfahren wird. Verkürzt ausgedrückt: die Mimesis vermittelt zwischen Kunst und Wirklichkeit, die Metamimesis untersucht die Bedingungen dieser Vermittlung.

Für den Interpreten bedeutet „transzendental,“ den Sinn nicht im Dargestellten sondern in der Art der Darstellung zu suchen. Diese wiederum ist so radikal, dass sich z.B. Ideologisches nur noch mit einer Sowohl-als-auch-Logik fassen lässt. Ob revolutionär oder reaktionär, progressiv oder, im Carl Schmittschen Sinne, „okkasionalistisch,“ transzendentales Schreiben ist keiner und jeder Couleur verpflichtet (190); die Idealisierung des Mittelalters „points directly and paradoxically to ideas of democracy“ (5); Lucindes Obszönität ist eine „transgression of the mimetic taboo,“ die radikal und konservativ zugleich ist (108, vgl. 95, 97, 104); Brentanos „ideology of mimetic exclusiveness“ (sprich: Antisemitismus) wird als Kehrseite seiner „ideology of mimetic inclusiveness“ abgetan (177, 185). Novalis’ transzendentale „hyperreality“ ist schiere Sophisterei: „The fictionality of poetry unveils itself as truth through the inverted return to the fictionality of truth, whereas the truth of reality unveils itself as fiction by the same inverted return to the truth of fiction“ (125, 142).

Obwohl Pirholts Textanalysen selektiv sind—er beschränkt sich im wesentlichen auf Romanpassagen mit „Gemälden“—so brilliert er, wie das bei poststrukturalistischen Untersuchungen oft der Fall ist, mit seiner virtuos gehandhabten explication de texte. Ebenso hervorgehoben werden muss sein „intertextuelles“ Gespür, etwa bei der subtilen Auslotung von Brentanos Aufarbeitung von Ovids Narziss und Echo Mythos (168–76).

Welche Rolle spielt Goethes Wilhelm Meister? Keine so große wie der Titel der Studie glauben macht. Für die Frühromantiker ist der Roman eine Inspiration und eine Irritation (191). Geschätzt wird er nicht als Bildungsroman, sondern als „transcendental investigation into Lebenskunst“ und als eigenständige „Kunstlehre“ (42, 191). Formal fehlt ihm, laut Schlegel, die „arabesque unity“ (41), ideologisch suspekt ist, so Novalis, die „Wallfahrt nach dem Adelsdiplom“ (132, 191). Goethe brauche zwar, so schließt Pirholt, „figures of imitation and representation in order [End Page 173] to reflect on and articulate the possibility of expressing truth through signs, first in the theatrical body and later in visual images“ (42), aber aus metamimetischer Sicht gelinge ihm in seinen vor-symbolischen Bildern die Überbrückung der mimetischen Trennung von Kunst und Natur nicht, weshalb diese Bilder zum Fetisch à la Marx verkommen (73).

Mit der Kommodifizierung von Goethes „Mimesis“ und der politischen Radikalisierung der romantischen „Metamimesis“ vollführt Pirholt einen literaturkritischen Salto mortale, den man zwar bewundern, aber nur schwer nachvollziehen kann. Auch setzt dieses Buch einen zweisprachigen Leser voraus, das Gros der deutschen Zitate ist nicht übersetzt.

Franz R. Kempf
Bard College
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