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  • Eroberung der Männerdomäne Automobil. Die Selbstfahrerinnen Ruth Landshoff-Yorck, Erika Mann und Annemarie Schwarzenbach by Anke Hertling
  • Erhard Schütz
Eroberung der Männerdomäne Automobil. Die Selbstfahrerinnen Ruth Landshoff-Yorck, Erika Mann und Annemarie Schwarzenbach. Von Anke Hertling : Bielefeld: Aisthesis, 2013. 309 Seiten + 2 farbige und 8 s/w Abbildungen. €38,00.

Der Volkswagen, DER Volkswagen, nämlich der Käfer oder Beetle, hat es längst unter die kanonischen Erinnerungsorte geschafft, nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA oder Mexiko. Der Porsche 911, für den renommierten britischen Autojournalisten Jeremy Clarkson bloß ein “Käfer mit Sportschuhen,” scheint nicht weit davon entfernt. Ulf Poschardt hat ihm zu seinem 50. Geburtstag eine elegante und pfiffige Monografie gewidmet (911, Stuttgart 2013), in der es freilich nicht ohne die moderne Gretchen-, d.h. Genderfrage abgehen kann. Vorsorglich lässt er sich denn auch gleich eingangs von einem Psychiater die Absolution erteilen, dass es sich bei dem Wagen, in dem James Dean starb und den alle die Freunde von Janis Joplin fuhren, später auch Bill Gates, um ein symbiotisches Gefährt handele. Und Poschardt pointiert: “Er ist eine muskulöse Frau und voller Leben” (67). Er vergisst auch nicht zu erwähnen, dass schon die Prototypen von couragierten Frauen gefahren wurden, [End Page 146] Jolanda Tschudi, Gilberte Thirion oder Annie Bousquet, Frauen, die sich weigerten, für Männer rechts ran zu fahren. Ebensowenig vergisst er, Fahrerinnen wie Gräfin Dönhoff oder auch Jil Sander und Martina Navrátilová, homosexuell lebende Frauen, anzuführen. Man sieht, noch scheint das Thema Auto und Geschlecht aktuell, durchkreuzt freilich vom Sozialen, zumindest bei Luxuskarossen. Auch hier soll der Porsche allerdings vorbildlich sein, ein “sozialverträgliches Gefährt” (Poschardt 61).

Nicht eben unterklassige Autos fuhren auch jene drei gern homosexuell lebenden Autorinnen und–fahrerinnen, denen Anke Hertling ihre Dissertation gewidmet hat: Ruth Landshoff-Yorck, Erika Mann und Annemarie Schwarzenbach, alle drei seit Langem Ikonen einer genderbewussten Forschung über die Zeiten der Weimarer Republik. Welche Rolle die soziale Herkunft bei ihrer hochklassigen Mobilität ebenso spielte wie bei Eleonore Stinnes, die als erster Mensch überhaupt 1927–29 die Welt im Auto umrundete, ist freilich im Fragehorizont dieser Arbeit an den Rand verbannt. Erst zu etwa der Hälfte der Lesestrecke findet sich der beiläufige Satz: “Auf den Umstand, dass sich die Autorinnen aufgrund ihres großbürgerlichen Familienhintergrundes ein Automobil leisten und Reisen ohne finanzielle Sorgen durchführen können, muss zweifellos hingewiesen werden” (140). Das war’s denn auch dazu.

Dabei wäre das Thema etwas weiter und tiefer zu verfolgen gar nicht so uninteressant, selbst für eine von vornherein deutlich genderfokussierte Fragestellung, wie sie der Titel ja schon programmatisch festlegt: “Eroberung der Männerdomäne Automobil.” Denn diese Domäne ist sozial zunächst durchaus brisant: Der “Autler,” auch die “Autlerin,” wie man sie anfänglich gern nannte, ist zunächst ja meist in einer Person Fahrerin und Monteur, dazu noch Finanzier. Bertha Benz, der nachgesagt wird, 1888 ein Automobil, als es so noch gar nicht hieß, als erste überhaupt in der Realität getestet zu haben, fuhr zwar, wie Anke Hertling dagegen erinnert, tatsächlich nicht selbst, sondern ließ ihren fünfzehnjährigen Sohn chauffieren, aber sie machte danach den konstruktiven Vorschlag, einen dritten Gang für Bergfahrten einzubauen.

In dem Maße, in dem der Typus des “Herrenfahrers” auftauchte—zu dem es begrifflich nicht das Komplement der Damenfahrerin gab—der sich den Komfort eines Chauffeurs, meist in Personalunion mit dem Mechaniker, leisten konnte, war das Autofahren sichtlich eine Klassenfrage: Die chauffierende und die gefahrenwerdende Klasse standen sich, wie etwa Octave Mirbeau schon 1909 in seinem wunderbaren, semidokumentarischen Roman 628-E8 gezeigt hat, ziemlich antagonistisch gegenüber. So ist es allerdings auch nicht sehr verwunderlich, dass im gleichzeitig aufkommenden Taxi-Gewerbe die wenigen chauffierenden Frauen, zumal da sie, wie Dr. Elisabeth von Papp oder Ella Schnell, aus bürgerlichen Verhältnissen kamen, zwar von der Presse mit Aufmerksamkeit, auch mit Spott, bedacht, von den proletigen Kollegen aber alsbald aus dem Beruf gemobbt wurden. Und wenn in Ruth Landshoff-Yorcks—etwas alberner—Erzählung Wir bummeln durch die Welt! 1929 das erzählende Auto sich...

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