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  • TransArea. Eine literarische Globalisierungsgeschichte von Ottmar Ette
  • Gregor Streim
TransArea. Eine literarische Globalisierungsgeschichte. Von Ottmar Ette. Berlin und Boston: de Gruyter, 2012. 344 Seiten + 15 s/w Abbildungen. €99,95.

Seit einigen Jahren bereits verfolgt der Potsdamer Romanist und Komparatist Ottmar Ette das Projekt, Literaturwissenschaft im Zeichen der Globalisierung als Lebenswissenschaft neu zu definieren, das kulturpolitische und wissenschaftlich-methodische Zielsetzungen miteinander verbindet. Zum Ziel auch der vorliegenden Studie erklärt er es, “Modelle und Maßstäbe [zu] entwickeln [ . . . ], wie sie für ein friedliches Zusammenleben in Differenz unabdingbar sind” (26). Der Literaturwissenschaft kommt dabei der Rang einer Leitwissenschaft zu, da sich Literatur im emphatischen Verständnis des Verfassers “schon immer” durch eine “transareale und transkulturelle Entstehungs- und Wirkungsweise” auszeichnet und ein einzigartiges “Wissen vom Leben, vom Überleben und vom Zusammenleben” angereichert hat (4–5). Methodisch knüpft Ette dabei einerseits an tradierte Vorstellungen von Philologie und andererseits an verschiedene Tendenzen poststrukturalistischer Kulturwissenschaft an, insbesondere an die—in Deutschland mit dem Schlagwort vom spatial turn verbundenen—Forschungen zu Raum und Verräumlichung, mappings und remappings, die er um den Begriff der Bewegung erweitert. Methodische Grundlage der TransArea-Studies, deren Programm er im ersten Kapitel seines Buches programmatisch umreißt, sei eine “Poetik der Bewegung” (26). Dazu gelte es, für die Philologie ein Vokabular der Bewegung und Mobilität zu entwickeln, mittels dessen die literarische Speicherung von Bewegungsmustern—von Ette als ‘Vektorisierung’ bezeichnet—in literarischen Texten erkennbar und beschreibbar wird. (Vgl. dazu a. Ottmar Ette: Zwischen-WeltenSchreiben. Literaturen ohne festen Wohnsitz, Berlin 2005). Dieses Vokabular müsse so beschaffen sein, dass es eine eurozentristische Perspektive von vornherein verhindere: “TransArea zielt darauf ab, weltweite Relationalität ebenso in einem internen [End Page 707] wie in einem externen Verflochtensein so zu perspektivieren, daß Europa keineswegs im Schnittpunkt oder gar im Fokus der unterschiedlichen Bewegungsfiguren stehen muß” (41).

An den skizzierten theoretischen Programmentwurf schließen sich vier Kapitel an, die die literarische Globalisierungsgeschichte in erster Linie als Geschichte des Bewusstseins von der Globalisierung nachzuzeichnen versuchen. In einer Verknüpfung von Einzelstudien werden dabei vor allem solche Autoren und Texte in den Blick genommen, die die Globalisierung selbst theoretisch und literarisch reflektiert haben. Eine Gliederung und einen Zusammenhang erhalten diese Studien dadurch, dass sie vier verschiedenen historischen Phasen der Globalisierung zugeordnet werden, die sich, so der Verfasser, auch durch verschiedene Figurationen des Wissens von der Globalisierung auszeichnen. (Zu den vier Phasen der Globalisierung vgl. a. Ottmar Ette: Weltbewußtsein. Alexander von Humboldt oder das unvollendete Projekt einer anderen Moderne, Frankfurt am Main 2009).

Die erste Phase umfasst die koloniale Expansion Europas in Folge der Entdeckung Amerikas Ende des 15. bis Mitte des 16. Jahrhunderts. Ette verweist hier auf den Zusammenhang zwischen der Entdeckung der ‘Neuen Welt’ und der Ausbildung moderner Raum-Zeit-Konzepte und geht dem zum einen an der Gattung des Inselbuchs (Isolario) nach, etwa dem Isolario des Bartolomeo dalli Sonnetti von 1485, das in seiner Kombination von Karten und Sonetten die neue Ordnung des Wissens anschaulich macht. Zum anderen untersucht er die Geschichtsschreibung der Neuen Welt, in der das neue Zeitgefühl zum Ausdruck gelangt und abendländische Kontinuität und tropische Differenz gegeneinander stehen.

In der zweiten Phase, die von der Mitte des 18. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts reicht und durch die Forschungs- und Entdeckungsreisen von Cook, Bougainville u.a. geprägt ist, zeichnet sich Ette zufolge dann deutlich ab, dass die Globalisierung nicht nur ein einseitiger Wissenstransfer ist, sondern auch epistemologische Veränderungen in den europäischen Wissenschaften erzwingt, wobei er v.a. auf die Temporalisierung und die Entwicklung eines offenen Geschichtsverständnisses verweist. Literarisch konzentriert er sich hier auf die Perspektivierung der Tropen. Dies tut er zunächst mit Blick auf Reiseberichte, wo die Tropen auch als rites de passage dargestellt werden, als ein Bewegungsraum mit Grenzverschiebungen und Sprüngen und als Prozess der Verwandlung. Ausführlich behandelt er dann Alexander von Humboldts Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung (1845–1862), das er als eine Antwort auf die Herausforderungen der zweiten Globalisierungsphase liest. In Kosmos würden die Tropen nicht isoliert betrachtet, sondern in Relation zur Flora und Fauna weltweit gesetzt, also in weltweiten Relationen beschrieben, und so zugleich zu einem “wissenschaftliche[n] Paradigma” (144). Hinzu...

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