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  • 'Und es gibt so wenig Menschen.' Das kurze Leben des Künstlers Peter Kien by Margarethe Heukäufer
  • Rosa Pérez Zancas
Margarethe Heukäufer . 'Und es gibt so wenig Menschen.' Das kurze Leben des Künstlers Peter Kien. Prag: Oswald, 2009. 279 pp. € 25 (Hardcover). ISBN 978-8-08724-210-0.

Die Gestaltung und Auswahl von Dokumenten, Gedichten, Briefen, Zeichnungen, Gemälden, Fotos für eine biographisch gestützte Anthologie eines Künstlers, der als Jude dem nationalsozialistischen Machtapparat zum Opfer fiel und in Auschwitz-Birkenau ermordet wurde, erfordert eine akribische und akkurate interdisziplinäre Quellenstudie des vorhandenen Materials. Dieser Herausforderung stellte sich Margarethe Heukäufer, Emerita an der Saint Mary's University in Halifax, indem sie sich intensiv mit unveröffentlichten Dokumenten von Holocaust-Opfern befasste und das Werk des deutsch-tschechischen Künstlers Peter Kien (1919-1944) rekonstruierte.

Peter Kien wurde 1941 mit einem der ersten Transporte für das Aufbaukommando in das Konzentrationslager Theresienstadt 50 km nördlich von Prag deportiert und mit einem der letzten Transporte im Oktober 1944 nach Auschwitz gebracht, wo er kurze Zeit später im Alter von 25 Jahren starb. Der portraitierte Künstler wuchs in einer tschechisch-deutschsprachigen jüdischen Familie auf, studierte nach seiner Reifeprüfung in Prag und setzte sich in seiner jüdischen Gemeinde für pädagogische Arbeit ein. An der Prager Akademie lernte er Peter Weiss kennen, der ihn in seinem autobiographischen Bericht Abschied von den Eltern verewigte. Beide verband eine innige Freundschaft, ihre Liebe zur Malerei und das Interesse für den Künstler Alfred Kubin. Diese Freundschaft bestand noch während der Gefangenschaft von Kien in Theresienstadt, was Briefe aus dieser Zeit bezeugen.

Kien zählt zu den wichtigsten Repräsentanten des kulturellen Lebens in Theresienstadt. Mit ihm und mit den vielen anderen Künstlern und Dichtern, die im Rahmen der nationalsozialistischen Terrorpolitik ermordet wurden, starb die deutschsprachige Prager Literatur- und Kulturszene aus. Für den tschechischen Germanisten Ludvík E. Václavek war die deutschsprachige Theresienstädter Lyrik und Dramatik „die letzte Generation, der letzte Aufschrei oder vielmehr [End Page 350] Klageruf der Prager deutschen Literatur".1 Es entsprangen mehrere tschechischund deutschsprachige Theatergruppen, und aktuelle Ghettothemen wurden kabarettistisch präsentiert. Lieder wurden komponiert und gedichtet, die jeder in Theresienstadt kannte und die während der Arbeit gesungen wurden. Das kulturelle Angebot wuchs, und da es von den deutschen Wachen geduldet war, fanden die Inhaftierten in der freien Zeit eine geeignete Ablenkung, die sie ihre schwierige Situation für eine Weile vergessen ließ. Für die außerordentlich konzentrierte künstlerische Betätigung und hochklassige literarische Produktion in Theresienstadt steht als besonderes Beispiel die 1943 entstandene, allerdings dort nie aufgeführte deutschsprachige Oper des Schönberg-Schülers Viktor Ullmann, Der Kaiser von Atlantis oder die Todverweigerung, zu der Peter Kien das Libretto schrieb: eine symbolträchtige Oper, die allegorisch gegen das national-sozialistische Terrorregime und ihren Führer anzukämpfen versuchte und erst über 30 Jahre später, 1975, in Amsterdam uraufgeführt wurde.

Margarethe Heukäufer hat mit ihrem Projekt, das Leben und die Arbeit dieses Künstlers zu umreißen, mit sichtlich großem Engagement Pionierarbeit geleistet, besonders da sich die Forschung bisher überwiegend für sein graphisches und bildnerisches Werk, weniger jedoch für die Gedichte interessierte. Im Gegensatz zu den Ausstellungskatalogen hat die Biographin in der Auswertung des vorhandenen Materials den Schwerpunkt auf Kiens Lyrik gesetzt, und diese mit Zeichnungen und Bildern aus seiner Prager Zeit an der Kunstakademie ergänzt.

Mit der Wahl des Titels - „Und es gibt so wenig Menschen" - verweist die Biographin auf einen Brief Kiens an seine emigrierten Freunde in London kurz vor seiner Deportation nach Theresienstadt, in dem er über die empfundene Hoffnungslosigkeit der Menschen in Prag berichtet. Das Bedrückende an Heukäufers Beschreibung von Kiens Lebensgeschichte ist das Wissen um den brutalen Abbruch dieses jungen Lebens und mit ihm des Lebens so vieler anderer Menschen, die in Auschwitz ermordet wurden. Besonders Kiens Portraitzeichnungen hinterlassen ein ausdruckskräftiges Zeugnis derjenigen, deren Spuren sich in Auschwitz verlieren und mit denen der Künstler dasselbe Schicksal teilen musste. Somit verlagert sich sein künstlerisches Werk von der Lyrik zur Bildkunst und h...

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