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Reviewed by:
  • The Spectator and the Spectacle.Audiences in Modernity and Postmodernity by Dennis Kennedy
  • Peter W. Marx (bio)
Dennis Kennedy. The Spectator and the Spectacle. Audiences in Modernity and Post-modernity. Cambridge: Cambridge University Press, 2009, 249 Seiten, ca. 60 €

Der Zuschauer gehört zu jenen Konstanten des theaterwissenschaftlichen Diskurses, dessen Anwesenheit (oder Abwesenheit) als factum brutum angenommen wird. Bei näherer Betrachtung aber verkompliziert sich der Sachverhalt sofort: In einem Dickicht von Spekulationen und Verallgemeinerungen, Stereotypen und Mutmaßungen windet sich die Rede vom Zuschauer um die Erkenntnis herum, dass wir eigentlich keine verlässlichen Aussagen über diesen so wichtigen Teil des theatralen Prozesses machen können. Und mit dieser Erkenntnis beginnt Dennis Kennedy seine Überlegungen zu diesem Thema: “A spectator is a corporeal presence but a slippery concept.” (S. 3)

Ausgehend von diesem Eingeständnis der Komplexität und Schwierigkeit des Themas unternimmt Kennedy dann eine umfassende tour d’horizon, die das Thema aus den unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet.

Das Panorama der Reflexion beginnt im Paris des 19. Jahrhunderts: Es ist die Figur des Regisseurs – als Korrelat zum Autor –, die für Kennedy zum Ausgangspunkt einer Revision des grand récit der Moderne wird: So diskutiert er ausführlich die Nähe der Avantgarde zum kommerziellen, urbanen Unterhaltungstheater, gerade auch dort, wo die Selbstbeschreibung der Künstler in eine andere Richtung deutet. In einer originellen Überblendung parallelisiert Kennedy Gustave Eiffel und seinen Turm mit den Reformprojekten von André Antoine. Doch diese historischen Skizzen bilden keinen Selbstzweck, sondern formen den Ausgangspunkt einer Weiterführung zu einer Theorie und Historiographie der Regie, die nicht in hagiographischer Bewunderung erstarrt, sondern die [End Page 109] Geschichte der Regie mit der Geschichte ökonomischer, sozialer und kultureller Modernisierung verwindet. Dass es sich hierbei nicht um ein abgeschlossenes Kapitel der Theater- bzw. Kulturgeschichte handelt, wird deutlich, wenn Kennedy am Ende seiner Ausführungen den Bogen zur gegenwärtigen Theatersituation schlägt und erkennbar werden lässt, wie sehr sich im 19. Jahrhundert genealogische Linien herausbilden, die bis heute noch wirksam sind.

Im zweiten Teil “Shakespeare and the Politics of Spectation” kehrt Kennedy zu jenem Feld zurück, das er selbst in großem Maße mitgeprägt hat: Shakespeare auf der Bühne. Nicht ohne Koketterie formuliert er selbstkritisch: “I am not a spectator, I am a museum of Hamlet.” (S. 200)

Die Ausführungen, die Kennedy aber in diesem Abschnitt präsentiert, sind alles andere als museumsreif: Gerade weil Shakespeare ein so (scheinbar) unverbrüchlicher Bestandteil der westlichen und mittlerweile der globalen Theater-kultur zu sein scheint, lassen sich an ihm grundsätzliche Frage um das Zuschauen, um die Teilhabe des Publikums am Theaterereignis formulieren. So gelingt es Dennis Kennedy dem Thema ganz neue Aspekte abzugewinnen: Zunächst eröffnet er mit “Shakespeare and the Cold War” einen Blick auf die Theaterkultur nach 1945. Sodann setzt er seine Reise – in immer weiteren Kreisen das Theater fokussierend – in der Gegenwart fort: So ist das neu errichtete Globe in London der Zirkelpunkt einer Reflexion, die um das Verhältnis von ‘Zuschauerschaft’ (“spectatorship”) und Tourismus kreist.

Hiervon ausgehend erscheint es nur folgerichtig, dass er sich von der Schaffung eines globalisierten Theaterorts schließlich einer globalisierten Theaterkultur zuwendet. Kennedy erweist sich hier nicht nur einmal mehr als einer der besten Kenner der internationalen Shakespeare-Kultur, er zeigt auch einen Weg für die mögliche weitere Diskussion der Frage eines interkulturellen Publikums auf.

In fact the intercultural spectator in the theatre replicates the condition of the global tourist. It is perfectly possible for us as tourists in a foreign clime to remain unaffected by the culture we are visiting; this is the usual high-toned critique of sun-drenched tourism. But it is also possible for tourists to engage the challenges of the foreign, as they see the other now in its own location and are forced to recognize their foreignness to it. […] Whatever else it does, […] intercultural theatre, and especially intercultural Shakespeare, implicates spectators in the anxieties brought by the globalization of cultural identities.

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Von hier ist es nur ein kleiner Schritt zur Frage nach der Körperlichkeit des Zuschauers, die Kennedy in einem breiten Panorama des Forschungsdiskurses verortet. Hierbei von Shakespeare-Inszenierungen auszugehen erweist sich...

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