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Reviewed by:
  • Digitale Literaturvermittlung. Praxis—Forschung—Archivierung by Renate Giacomuzzi, Stefan Neuhaus, und Christiane Zintzen
  • Susanne Blumesberger
Renate Giacomuzzi, Stefan Neuhaus, und Christiane Zintzen, Hrsg., Digitale Literaturvermittlung. Praxis—Forschung—Archivierung. Innsbruck: Studienverlag 2010. 283 S.

Der vorliegende Sammelband basiert auf einer 2009 im Rahmen des vom österreichischen Forschungsfonds geförderten Projekts “Digitale Literaturmagazine” (DILIMAG) an der Universität Innsbruck stattgefundenen Tagung. [End Page 175] Die Chancen, Bedingungen und Grenzen, die das Internet im Bereich der Literaturvermittlung vorgibt, sollten untersucht und die auf der Basis von wissenschaftlicher, praktischer und archivarischer Praxis gesammelten Erfahrungen diskutiert werden.

Die frei verfügbaren Verbreitungstechniken, die das Internet heute bietet und die damit verbundene Vielfalt an Publikations- und Kommunikationsmöglichkeiten werfen auch zahlreiche Fragestellungen für die Praxis, Wissenschaft, Dokumentation und das Archivwesen auf, stellt Renate Giacomuzzi in der Einleitung fest. Eine dieser Fragen ist, ob und in welcher Form literarische Internetdokumente langfristig erhalten werden können und sollen. Weiters stellt sich die Frage nach zukünftigen Qualitätsstandards, denn die flache und unhierarchische Struktur des Internets ermöglicht ein weitgehend freies Publizieren. Ins Blickfeld genommen wurde auch die Frage nach der Grenze zwischen privaten und öffentlichen, kommerziellen und nichtkommerziellen Nutzungsbereichen. Das Internet ermöglicht zwar eine Demokratisierung im Publikationssektor, führt jedoch zu einer unglaublichen Fülle, die nicht mehr überschaubar ist. Da sich das Feld rasch ständig verändert, sind neue Vermittlungs- und Legitimierungsstrategien gefordert. Bibliotheken und Archive werden sich in Zukunft mit Fragen der Selektion und mit dem Erstellen von Kriterien, was wie archiviert werden soll, beschäftigen müssen. Sie kommen damit in die Position von kanonbildenden Instanzen. Ein wesentlicher Punkt ist auch die Vergänglichkeit der im Internet gespeicherten Daten, einhergehend mit dem Altern von Software und einer damit zusammenhängenden fortschreitenden Inkompatibilität. Auch die Tatsache, dass individuelles Löschen von Daten jederzeit möglich ist, führt zu der Frage, welche bestandserhaltenden Maßnahmen notwendig sind um die zukünftige Verfügbarkeit von Kulturgütern sichern zu können. Abseits vom arbeitstechnischen und finanziellen Aufwand stellen sich dabei Fragen technischer, rechtlicher und organisatorischer Art. Das Problem der Vergänglichkeit evoziert jedoch nach Giacomuzzi nicht nur die Frage nach archivarischen Maßnahmen, sondern auch nach literatur- und kunsttheoretischen Reflexionen, die es ermöglichen diese Flüchtigkeit als Teil eines ästhetischen Diskurses zu erkennen. Im Bereich der Literaturkritik kam es zu einer Verschiebung in den Laien-und Hobbybereich und damit zu neuen Funktionen, Rollenverständnissen, Beurteilungsverfahren, usw. Diesen Themen widmet sich auch das erste Kapitel des vorliegenden Bandes unter dem Thema Literaturvermittlung und Literaturkritik. Der Begründer des Innsbrucker Zeitungsarchivs, Michael Klein, beschäftigt [End Page 176] sich in seinem Beitrag mit der Renaissance der Literaturkritik in den 1960er Jahren. Stefan Neuhaus, Universitätsprofessor für Literaturkritik, Literaturvermittlung und Medien, skizziert die aktuelle Situation der Literaturkritik in den Printmedien und Thomas Anz, Leiter des TransMIT-Zentrums für Literaturvermittlung in den Medien, stellt Kontinuitäten und Veränderungen der Literaturkritik in Zeiten und fünf Thesen vor: 1. Das Internet hat zu einer erhöhten Nachhaltigkeit der Literaturkritik geführt. 2. Literaturkritik findet durch das Internet sehr viel weitere Verbreitung als früher durch die Printmedien. 3. Das Internet hat der Literaturkritik viele neue Kritiker und neue Adressatengruppen zugeführt. 4. Die Literaturkritik hat durch das Internet ihre Gegenstandsbereiche erheblich ausgeweitet. 5. Literaturkritik hat ihre dialogischen und populären Traditionen im Internet neu aufgegriffen, intensiviert und erweitert. Anz äußert jedoch gleichzeitig einige Bedenken, u.a. bzgl. der ökonomischen Interessen des Buchhandels, der Finanzierung der Literaturkritik und der Glaubwürdigkeit und Qualität der Kritik.

Ein umfangreicheres Kapitel des Sammelbandes beschäftigt sich mit der Archivierung von Netzliteratur und -kunst und mit theoretischen und ästhetischen Positionen. Beat Suter, Dozent für Game Design fragt nach dem Sinn und der Möglichkeit der Erhaltung und Archivierung von elektronischer Kultur—immerhin sind 80% der Netzkunst der ersten Jahre verschwunden. Der Sprecher des Forschungskollegs “Medienumbrüche” der Universität Siegen, Peter Gendolla, reflektiert über flüchtige Momente in der Netzliteratur. Jörgen Schäfer, Mitarbeiter des eben genannten Forschungskollegs, stellt Vorüberlegungen zu einer Theorie der Literatur in computerbasierten Medien vor. Der Kunsthistoriker Gunther Reisinger fragt nach dem Sinn oder Unsinn der Archivierung...

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