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  • Dynamik des Dialekts—Wandel und Variation by Elvira Glaser, Jürgen Erich Schmidt, Natascha Frey
  • Jürgen Macha
Dynamik des Dialekts—Wandel und Variation. Herausgegeben von Elvira Glaser, Jürgen Erich Schmidt und Natascha Frey. Stuttgart: Steiner, 2012. 365 Seiten + zahlreiche s/w und farbige Abbildungen. €53,00.

Der vorliegende Sammelband präsentiert insgesamt 17 Plenarvorträge und Halbplenarvorträge, die beim dritten Kongress der Internationalen Gesellschaft für Dialektologie des Deutschen im September 2009 gehalten wurden. Fülle und Vielfalt der behandelten Themen spiegeln etwas von der aufgeschlossenen und erfreulich scheuklappenarmen Atmosphäre wider, durch die das Züricher Zusammentreffen der dialektologischen Zunft insgesamt gekennzeichnet war.

Angesichts der knappen Raumvorgabe für diese Rezension wäre es unsinnig, alle Beiträge in extenso vorstellen zu wollen, es folgt also in der Regel pro Artikel lediglich eine ‘Ein-Satz-Kennzeichnung.’ Der Versuch, die im Buch praktizierte alphabetische Anordnung der Aufsätze durch eine sachorientierte Gliederung zu ersetzen, erweist sich dabei als relativ schwierig, da eine Menge von intradisziplinären und interdisziplinären Überschneidungen und Transferenzen vorliegt. Probieren wir es dennoch: Im weitesten Sinne “klassisch” grammatikalisch dimensionierte Zugriffe zeigen die Beiträge von Alber/Rabanus (Pronominalparadigmen im Varietätenvergleich), Brander/Salzmann (Syntaxvariation bei alemannischen Bewegungsverben), Fleischer (Wortstellung pronominaler Elemente, untersucht an Wenker-Material), Hermans/Hinskens (Phonologie der limburgischen Tonakzente), Kolmer (Wortstellung im Nebensatz, vergleichend analysiert anhand alemannischen und bairischen Dialektmaterials), Leemann (Intonationsvariation innerhalb schweizerdeutscher Dialekte) und Louden (Syntaxeffekte niederdeutschen Substrats auf das ‘Wisconsin-Hochdeutsche’).

Die meisten anderen Halbplenar-Beiträge des Sammelbands lassen sich, obwohl auch in ihnen z. T. mit strukturlinguistischen Verfahren operiert wird, einem soziolinguistischen Paradigma zuordnen. Die Bandbreite hierbei ist beträchtlich. So finden sich etwa Projektdarstellungen, die mit Interaktionaler Soziolinguistik und deren kommunikativ-dialogischer Ausrichtung zusammenhängen: Hettler/König/Lanwer (Sprachlagen und Sprachbewegungen zwischen hochdeutschem Standard und niederdeutschen [End Page 123] Dialekten, untersucht am Material des Projekts “Sprachvariation in Norddeutschland [SiN]”), Petkova (‘Code-Hybridisierung’ bei atochthonen und allochthonen Deutschschweizern) sowie Tissot/Schmid/Galliker (Markerverwendung im ‘ethnolektalen’ Schweizerdeutschen). Der Frage der Verstehbarkeit nah verwandter Varietäten über Staatsgrenzen hinweg widmet sich am Beispiel des Niederdeutschen in den Niederlanden und in Dänemark sowie des Schwedischen in Dänemark und in Norwegen die Studie von Kürschner/Gooskens. Aufschluss über die Wandlungen innerhalb dialektaler Idiolekte Hamburger Sprecher in einer Zeitspanne von etwa 30 Jahren gibt der Beitrag von Ruge. Das sprachsoziologische Phänomen “Dialekt-renaissance” tritt im Aufsatz von Smits/Kloots in den Blick, in dem Ausprägungen und gesellschaftliche Effekte der sogenannten “Flämischen Dialektwelle” (2001– 2010) untersucht werden. Gleichfalls den sozialen Aspekt dialektologischer Fragestellungen haben Maitzt/Elspass im Auge, allerdings mit anderer Intention. Sie plädieren in ihrem ideologiekritischen Aufsatz für ein verstärktes Engagement der DialektologInnen im Sprachnormen-Diskurs der heutigen Gesellschaft. Pickl/Rumpf schließlich präsentieren in ihrem Artikel ein neues Verfahren zur computergestützten Analyse geographischer Sprachdaten, wobei die Materialgrundlage von Daten des Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben gebildet wird.

Werfen wir zum Ende noch einen Blick auf die beiden Plenarvorträge, die das Programm des Züricher Kongresses umschlossen haben und auch die Beiträge des Sammelbands umrahmen. Wie es seinerzeit Hermann Paul im Blick auf die Sprachentwicklung generell postuliert hatte, so betont auch de Vogelaer (“A dialect continuum in child language. Why dialectology cannot afford to neglect children as informants”) die wichtige Rolle, die eine Beobachtung des kindlichen Spracherwerbs auch aus dialektologisch-vergleichender Perspektive besitzen kann. Gestützt auf empirische Daten aus dem niederländischen und dem deutschen Sprachraum wird demonstriert und diskutiert, welche Auswirkungen unterschiedlich strukturierte Pronominalsysteme im sprachlichen Lernprozess nach sich ziehen. Solche Effekte lassen sich sowohl für nationalsprachliche Gegensätze (Deutsch-Niederländisch) als auch für jeweilige binnensprachliche Varietätenunterschiede nachweisen. Der Beitrag von Haas (Ist Dialektologie Linguistik?), durchaus als ‘Entree’ zum Gesamtkongress konzipiert, bietet einen klar strukturierten, persönlich gefärbten Überblick über erkenntnisleitende Prinzipien der traditionellen Dialektologie. Beginnend mit den Homogenitätsannahmen der Wenker’schen Dialektgeographie (und ihrer empirischen Zertrümmerung!) wird die Frage nach Einheitlichkeit versus Uneinheitlichkeit sprachlicher Formationen, die über die Zeiten hinweg eine wichtige Rolle gespielt hat, disziplinhistorisch aufgearbeitet und akzentuiert. Es ist erhellend zu lesen, wie in der Deutung von Haas Entwicklungslinien der Dialektologie und der allgemeinen...

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