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  • Zwischen Eros und Mitteilung. Die Frühromantik im Symposium der “Athenaeums-Fragmente” by May Mergenthaler
  • Gerhart Hoffmeister
Zwischen Eros und Mitteilung. Die Frühromantik im Symposium der “Athenaeums-Fragmente”. Von May Mergenthaler. Paderborn: Ferdinand Schöningh, 2012. 344 Seiten. €39,90.

Hier legt May Mergenthaler die überarbeitete Version ihrer Dissertation (Princeton 2007) vor, in der sie eines der wichtigsten Kapitel der deutschen Literaturgeschichte und -kritik mit Auswirkungen auf die Poetik und Sprachtheorie bis in die jüngste Zeit behandelt. Als Manifest der Frühromantik und Produkt der symphilosophierenden Mitarbeiter an der Zeitschrift stellt das Athenaeum an Forscher und Leser besonders hohe Ansprüche, da die analysierten Texte bei aller Brillianz zugleich die Ambivalenz und Widersprüchlichkeit der romantischen Ideen bloßlegen. Diese Einsicht stand am Ausgangspunkt dieser Studie, die über die vage Sehnsucht der Romantik nach der Unendlichkeit ins Zentrum von Friedrich Schlegels Projekt vorstößt, sein Streben nach “vollendeter Mitteilung.” Im Grunde ein paradoxes Unternehmen, da das Gespräch Schlegels mit Autoren, Texten und Lesern sich vollenden soll, jedoch stets im Werden bleibt und außer Poesie und Sprache das ganze Universum umfasst. Was jedoch Schle-gels Projekt eine überraschende Konsistenz verschafft, ist Platons Symposium über den Eros als Vorbild und Dialogpartner. Sein Dialog besitzt “eine ähnlich paradoxe, offen-systematische Struktur wie die Fragmentensammlung (Athenaeum), [ . . . ] [worin] erotisches Begehren wie das Begehren nach Mitteilung ein offenes System hervorbringt” (23). Indem Mergenthaler die Fragmente als Modell der vollendeten Mitteilung liest und den Leser zentral an der romantischen Lektüre teilnehmen lässt, stellt sie sich die Aufgabe, die Dialoge, Begegnungen, unterdrückte Mitarbeit und das hohe Geistergespräch mit Platon zu rekonstruieren.

Zunächst führt sie in den ersten Kapiteln auf die geistige Mitte, das Symposium der Athenaeums-Fragmente zu: Das Dilemma der Romantik-Forschung und die Grundbegriffe Schlegels (Kapitel I); Die Romantik als Sprach- und Wissenschaftstheorie (Kapitel II). Hier ergeben kritische Analysen der aktuellen Romantik-Forschung mit ihren verschiedenen Schwerpunkten in Hermeneutik, Dekonstruktion, Performanztheorie, Dialogizität etc. ein “unvollständiges” bzw. “einseitiges” (132) Bild von Schlegels Ziel, besonders im Hinblick auf die von der Autorin entwickelte Lesart seines Strebens nach vollendeter Mitteilung. Dieses Projekt charakterisiert Schlegel am besten in dem letzten Fragment mit der Überschrift “Leben des universellen Geistes” (Athenaeum #451): er kann sein Ziel nie erreichen, da es in einer “ununterbrochene[n] Kette innerer Revolutionen” stecken bleibt und voll unauflöslicher Widersprüche im Gespräch auf die unendliche Ironie der Ironie zutreibt. Darum lässt sich die Bedeutung von Platons Symposium für das Verständnis von Schlegels Vorhaben und für die vorliegende Arbeit nicht genug hochschätzen (Kapitel III). [End Page 144] Jedenfalls verbinden alle Symposium-Redner von Pausanias über Diotima zu Sokrates Philosophie und Poesie und versuchen gemäß Mergenthalers Interpretation schon hier vorbildlich in ihrem Lob des Eros die Widersprüche des Begehrens im Gespräch aufzulösen (147–182).

Während der Eros bei Platon noch Mittel zum Zweck ist, rückt Schlegel den Eros bzw. die Mitteilung ins Zentrum des Begehrens (146). Als Modell für sein Athenaeum zeigt Platons Symposium nicht nur eine ähnliche Struktur, sondern eine ähnliche Verwendung der Ironie und schon die Aufforderung an die Leser, am Dialog teilzunehmen und ihn sogar zu vollenden. Schlegels Projekt lässt sich somit als “kritische Fortsetzung” von Platons Symposium verstehen (siehe 190) und konstituiert sich in einem Dialog über die Zeiten hinweg, worin die Platonische Fiktion des “Gastmahls” als Grundlage, Folie, und Anregung für die Freunde und Mitarbeiter der Zeitschrift fungiert (Kapitel IV 190–315). Bei einem ähnlichen Gesprächsverlauf in Symposium und Athenaeum von der sinnlichen über die metaphysische Darstellung des Eros bzw. der Mitteilung bis zur sittlichen Umsetzung unternimmt es die Autorin, den “syn- und diachronen Dialog” zwischen Schlegels und Platons Werk zu rekonstruieren. “Antwortet Schlegel auf Platon und Sokrates, so [ . . . ] Auguste Böhmer auf Apollodorus und Aristodemos [ . . . ]; Caroline Schlegel und Dorothea Veit stehen im Dialog mit der Priesterin Diotima und der Flötenspielerin, [ . . . ] August Wilhelm Schlegel mit dem Tragödiendichter Agathon, [ . . . ] Hardenberg mit Diotima und [ . . . ] Schleiermacher mit dem Politiker Alkibiades [ . . . ]” (198). Bekanntlich hatten Fichte und Schleiermacher den größten Einfluss auf die Ideen der Jenenser und werden hier auch genügend beachtet (Fichte 248–58, Schleiermacher...

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