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  • Franz Kafka: The Ghosts in the Machine by Stanley Corngold and Benno Wagner
  • Franz R. Kempf
Franz Kafka: The Ghosts in the Machine. By Stanley Corngold and Benno Wagner. Evanston, IL: Northwestern University Press, 2011. Pp. xx + 273. Cloth $34.95. ISBN 978-027692.

Bis auf ein Kapitel versammelt das vorliegende Buch schon erschienene, z.T. jedoch grundsätzlich überarbeitete Aufsätze. Mit den von Stanley Corngold übersetzten Beiträgen von Benno Wagner wird dessen Forschungsarbeit zu Kafka nicht nur einem größeren Publikum, sondern auch in einem größeren Zusammenhang vorgestellt. Das ist das eigentlich Neue an dieser Studie. Zu Corngold deshalb nur soviel: Wie üblich bestechen seine Essays—u.a. „Thirteen Ways of Looking at a Vermin (The Metamorphosis),“ „Kafka and Sex,“ „Kafka (with Nietzsche) as Neo-Gnostic Thinkers“—durch gedankliche Schärfe und sprachliche Präzision, durch Gelehrsamkeit und Esprit.

Wagner geht es weniger um eine literarische Spurensuche in den Schriften, die Kafka als Beamter bei der Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt für das Königreich Böhmen verfasste, sondern vielmehr um „Unfall-Versicherung“ als einen beziehungsreichen zeitgenössischen Diskurs. Weitausholend bringt er unterschiedlichste Quellen in die Diskussion ein, z.B. die Physique sociale (1835) des belgischen Anthropometristen und Statistikers Adolphe Quételet, oder Heinrich Rauchbergs Ausführungen zur „elektrischen Zählmaschine“ (19, 82). Einschlägige Grundlagen wie diese versteht Wagner als „discursive fields“ (6), aus deren Analyse er die Vorstellung [End Page 204] ableitet, dass die Unfallträchtigkeit des (arbeitenden) Menschen ein nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit kalkulier- und deshalb versicherbares Risiko darstellt. Das Resultat dieses Profiling ist ein statistisch errechneter „mittlerer Mensch“ von eigenschafts- und verantwortungsloser „Normalität“ (17–33, 41–47, 86, 178, 190–94, 203–8, 217). Als Gegenentwurf zu Nietzsches Übermensch ist der Durchschnittsmensch—als Beispiele nennt Wagner Gracchus, Rotpeter, den Land-arzt und Karl Rossmann—„a crucial link between [Kafka’s] official and his nocturnal writings,“ er ist „not only the theme of [his] literary work . . . but its very own law“ (43). Wie hier betont Wagner immer wieder, dass für Kafka der Unfall-Versicherungs-Diskurs nicht nur poetisch sondern auch poietisch relevant ist. Aber so sehr ihm der thematische Spagat gelingt—literarische Beispiele wären der arbeitsscheue Robinson des Amerikaromans als Simulant, der misstrauische Prokurist der Verwandlung als Simulantenschnüffler, der Offizier der „Strafkolonie“ als Statistiker-Parodie und, in derselben Erzählung, die „bloody reunion of premodern torture and ultramodern data processing“ als Wechselspiel von durchbohrtem Körper und Lochkarte (85, 87, 91, 210–13)—in Bezug auf den „act of writing as such“ (183–184) bleibt er vage. So heißt es in dem vielversprechenden Essay „The Calm of Writing: Kafka‘s Poetics of Accident,“ der „Unfall“ eröffne einen „epistemic space of the probable event“ (179), während die Beziehung zwischen dem „individual (physiological) body and the social (statistical) body . . . the origin of Kafka’s narrative worlds“ markiere und „the special calm of his writing“ gewährleiste (190).

Dafür geht Wagner umso schärfer mit der traditionellen Kafka-Kritik ins Gericht. Er kanzelt sie als „fog machine“ und als „folklore“ ab (35, 85). Kafkas Geschichte „Ein altes Blatt“ dient ihm dazu, seine Zusammenarbeit mit Corngold selbstkritisch zu durchleuchten. Angesichts des Dilemmas zwischen dem Nomaden (Wagner), dem Praktiker der „cultural studies“ und dem Städter (Corngold), dem Experten für „literary studies,“ stellt sich die Frage: „Is there a third path for a literary scholarship in which aesthetic form and material content may come together without self-loss?“ (77). Dem Leser wird zwar immer wieder suggeriert, dass es einen Ausweg gibt, sei es die „Theatralisierung“ als eine Grundstruktur oder Lyotards „différend“ als die Quelle von Kafkas Schaffen (38, 185, 207, 219). Ein solcher „dritter Weg“ trifft insofern auf Kafka zu, als bei ihm der „Widerstreit“ gleichsam als Muse funk-tioniert, die sich in paradoxen Brechungen und Spiegelungen inszeniert, aber für das literaturwissenschaftliche Tandem gilt er nicht: Corngolds explication de texte und Wagners exploration des contextes stehen sich unvereinbar gegenüber. Das literarische Sowohl-als-Auch hat dem methodischen Entweder-Oder Platz gemacht.

Wie so oft in „cultural studies“ sind alle Texte und alle Ereignisse gleichwertig. Das mag Anlass zu geistreichen Verbindungen geben: „Risk, then...

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