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  • Theodor Fontane Chronik. 5 Bände
  • Petra S. McGillen
Theodor Fontane Chronik. 5 Bände. Von Roland Berbig. Projektmitarbeit 1999-2004: Josefine Kitzbichler. Berlin und New York: de Gruyter, 2010. 5 Bände. xxxiv + 3905 Seiten. €629,00.

Wer zu Theodor Fontane (1819-1898) forscht, weiß, dass der Geschichte seiner Text-produktion und seinem vielseitigen schriftstellerischen Profil nur schwer beizukommen ist: Nicht nur, dass er als freischaffender Autor sprichwörtlich tausende von Texten in allen möglichen Genres und Formaten hinterlassen hat, seine ganze Existenz war aufs Engste mit dem Medienmarkt des späteren 19. Jahrhunderts verwoben. Für Forscherinnen und Forscher heißt das, immer eine Vielzahl von Kontexten zugleich rekonstruieren zu müssen, wenn sie sich mit Fontane befassen—man denke allein an sein Briefnetzwerk, seine Reisen, Presse-Arbeit, Archivrecherchen, Verhandlungen mit Verlegern, Lektüren, Rezensionen, Ausstellungsbesuche und seinen gesellschaftlichen Umgang. In dieser unübersichtlichen Lage bietet Roland Berbigs Theodor Fontane Chronik wertvolle Navigationshilfe. Auf 3905 klug eingerichteten Seiten zieht die Chronik Informationsmassen zusammen, die bisher über alle möglichen Bereiche der Fontane-Philologie verstreut waren, ordnet sie den einzelnen Lebensjahren des Autors zu und präsentiert sie in detaillierten Tag-für-Tag-Einträgen. Im Ergebnis hat Berbig ein Nachschlagewerk geschaffen, das die Fontane-Forschung auf einen neuen Stand bringt.

Durch ihren Umfang, ihre Detaildichte, aber auch durch ihre ganze Anlage unterscheidet sich Berbigs Unternehmung grundsätzlich von den drei bereits existierenden [End Page 664] Fontane-Chroniken (Hans-Gerhard Wegner, Kleine Chronik von Fontanes Leben und Werk, Potsdam und Berlin 1938; Hermann Fricke, Theodor Fontane. Chronik seines Lebens, Berlin-Grunewald 1960; Christian Grawe, Fontane-Chronik, Stuttgart 1998). Während die Vorgängerprojekte nur einen allerersten Überblick liefern konnten (Wegner), ohne Nachweise und transparente Selektionskriterien arbeiteten (Fricke) oder starke Schwerpunkte setzen mussten (Grawe), mutet Berbig den Nutzerinnen und Nutzern einen Vollständigkeitsanspruch zu: Oberstes Ziel war, "alle relevanten Ereignisse aus Theodor Fontanes Leben so genau wie möglich nach Daten zu ermitteln" und in die Chronik einzutragen (xiii). Seine Chronik reduziert die Vielzahl der einzu-beziehenden Kontexte somit ganz bewusst nicht und belegt jeden einzelnen Eintrag gewissenhaft mit mindestens einer Quelle. Den Daten-Grundstock bildeten zunächst sämtliche Briefe, die im Fontane-Briefverzeichnis (Jolles und Müller-Seidel, München 1988) nachgewiesen sind. In mehr als zehnjähriger philologischer "Ameisenarbeit" hat Berbig teils mit einer kleinen Mannschaft, über weite Strecken aber auch allein diesen Grundstock durch immer mehr gedruckte und ungedruckte Materialien vergrößert. Darunter sind die typischen Quellen der Fontane-Forschung, aber auch Überraschendes (wie zum Beispiel ein noch nicht erschlossenes Manuskript-Konvolut aus der Münchner Stadtbibliothek Monacensia). Die Chronik ist damit als "im engeren Sinne wissenschaftliche[s]" Gegenstück zu Grawes Fontane-Chronik gedacht (xi) und richtet sich explizit an Nutzerinnen und Nutzer mit Forschungsinteressen.

Was die Chronik auszeichnet, ist aber nicht die schiere Masse der zusammengetragenen Daten allein. Ihre eigentliche Leistung besteht darin, den großen Datenschatz mit Hilfe einer durchdachten Konzeption zugänglich zu machen. Berbig hat die Chronik mit Blick auf Benutzbarkeit und praktische Forschungsarbeit angelegt und seine eigene langjährige Erfahrung mit der Gattung der Chronik mit in die Konzeption einfließen lassen. Anders als beispielsweise in der Thomas Mann Chronik (Gert Heine und Paul Schommer, Frankfurt/Main 2004) sind Informationen innerhalb der jeweiligen Tageseinträge nach Rubriken geordnet. Diese Rubriken entsprechen den Konstanten in Fontanes Leben: "Unternehmungen, Begegnungen, Ereignisse"; "Lektüre"; "schriftstellerische und journalistische Arbeit"; "Druck" (d.h. im Druck befindliche Texte); "Veröffentlichungen über Fontane" und schließlich Briefe von ihm und an ihn (xxi-xxii). Jeder Rubrik ist ein gefettetes Kürzel vorangestellt. Auf der Suche nach bestimmten Informationen lässt sich die Chronik somit sehr gut überfliegen, was zusätzlich dadurch erleichtert wird, dass die Buchseiten durch relativ viel Platz zwischen den einzelnen Tageseinträgen nicht überladen wirken. Ein kommentiertes Personen-und ein Ortsregister am Ende des fünften Bandes machen die Daten zusätzlich aus nicht-chronologischer Perspektive ansteuerbar. So lädt der Gesamtaufbau der Chronik gleichermaßen zum gezielten Nachschlagen und zum Stöbern ein. Fast wie von selbst ergibt sich dabei der Reiz, aus den Daten etwas zu machen und zum Beispiel aus der Rubrik "Lektüre" eine Typologie von...

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