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Reviewed by:
  • Büchner-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung
  • Gerhard P. Knapp
Roland Borgards and Harald Neumeyer, eds. Büchner-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung. Stuttgart/Weimar: J. B. Metzler, 2009. 406 pp. € 49.95 (Hardback). ISBN 978-3-476-02229-5.

In der verdienstvollen Handbuch-Reihe des Metzler Verlags liegt jetzt das langerwartete Büchner-Handbuch vor: ein stattlicher Band, der in 4 Teilen insgesamt 45 teils längere, teils sehr kurze Beiträge von 41 AutorInnen enthält, daneben einen Anhang mit einem guten biographischen Abriss (Esther Köhring), einer Auswahlbibliographie und einem (unzuverlässigen) Personenregister. Die mikroskopische Gliederung des Bandes überrascht auf den ersten Blick. Bedenkt man aber die Heterogenität von Büchners schmalem Oeuvre, das die Schularbeiten, die Hugo-Übersetzungen und das Briefwerk neben der von Weidig mitver-fassten Flugschrift Hessischer Landbote, dem Revolutionsdrama Dantons Tod, dem Lenz, dem Lustspiel Leonce und Lena und den Woyzeck-Fragmenten sowie zwei naturwissenschaftliche Schriften und ein Konvolut philosophischer Notizen umfasst, wird die vielsträngige Annäherung an die Texte verständlich. Bedenkt man weiterhin, dass Büchner seit den 1970er Jahren noch immer zu den meisterforschten, meistumstrittenen ,Klassikern' gehört, liegt die Herausgeberentscheidung für ein Mosaik diverser Zugänge zum Werk nahe. Denn den einzelnen Texten gewidmete Großabschnitte hätten den Eindruck einer ,Geschlossenheit' des Forschungsstandes erwecken können, die in dieser Form nicht existiert - und wohl noch lange nicht existieren wird. Für die Offenheit der Forschungslage spricht auch, dass die Beiträge Textzitate, wo möglich, doppelt nachweisen: in der seit 1999 vollendeten DKV-Ausgabe von Henri Poschmann und in der erst in Teilen vorliegenden, von Burghard Dedner und anderen besorgten Marburger Ausgabe (MBA).

Teil I ("Werk," 155 S.) beginnt mit einer soliden Übersicht zu den Schülerschriften von Susanne Lehmann und einer weniger überzeugenden Skizze des Hessischen Landboten (Michael Hofmann), die die Flugschrift sozusagen retrospektiv - von 1836 aus - betrachtet, den Mitverfasser Weidig verkennt und den sozialen Revolutionär Büchner vom politischen trennen möchte (vgl. 8, 16). Auch von "avancierte[n] naturwissenschaftliche[n] Modelle[n]" (17) findet sich keine Spur im Hessischen Landboten. Der Beitrag zu Dantons Tod (Rüdiger Campe) erläutert zwar das Drama in wesentlichen Aspekten, nicht jedoch seine kritische Autopsie von Geschichte und seine Kontrafaktur der bürgerlichen Historiographie. Der Teildruck Gutzkows erschien natürlich im Phönix, nicht im Phöbus Kleists und Müllers: eine Fehlleistung, die die Herausgeber verpasst haben. Sehr gut Ingo Breuers "Exkurs Geschichtsdrama," der Büchners parodistische "Darstellung des Darstellens" (43) analysiert, sowie Arnd Beises Beitrag zu den Übersetzungen und den Strategien des Übersetzers. Roland Borgards versucht mit dem Hinweis auf die "innere Geschlossenheit" (59) des Texts - über die sich streiten ließe - die Novellenform für den Lenz zu sichern, verfängt sich dann aber in den Begriffen Genettes ("interne Fokalisierung," "aktoriales [sic] [End Page 497] Erzählen," 61), anstatt vermittels der erlebten Rede den Erzählvorgang zu illustrieren. Arnd Beises Studie zu Leonce und Lena zeigt - einmal wieder - die Lektüreprobleme des durch Camouflage und posthume Präventivzensur geprägten Lustspiels. Auf gedrängtem Raum kommt Harald Neumeyer zu einer guten Darstellung des textuellen Problemfelds der Wz-Fragmente und ihrer vielfältigen Bedeutungsschichten. Es fehlt der Blick auf die Klassenspaltung, die in Sprache, Bildung und im Schicksal der Figuren einfühlend dargestellt wird und die weitere Entwicklung des sozialen Dramas nachhaltig prägt. Die naturwissenschaftlichen Texte werden von Roland Borgards einsichtig, aber zu kurz behandelt, die philosophischen Schriften von Per Röcken umrissen. Henri Poschmann gibt eine glänzende Darstellung des (leider zu schmalen) Briefe-Corpus, seiner Überlieferung und historisch-biographischen Einordnung sowie der jeweiligen "Schreibzusammenhänge."

Die 24 kurzen Beiträge der Teile II ("Kultur und Wissenschaft," 98 S.) und III ("Ästhetik und Poetik," 50 S.) bieten ein disparates, aber doch immer auf das Gravitationszentrum dieses Werks bezogenes Vielerlei. Herausgegriffen seien nur einige der Arbeiten. "Volk" (Clemens Pornschlegel) und "Geschichte und Revolution" (Ethel Matala de Mazza) - beides für Büchner zentrale Komplexe, die längere Ausarbeitungen verdient hätten - vermitteln eine Vielzahl intelligenter Denkanstöße, deren Konvergenzpunkt in Büchners leidenschaftlicher Parteinahme für das "Leben der Geringsten" (166) liegt. Die Skizzen zu "Natur" und "Leben" (Gideon Stiening bzw. Hubert...

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