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  • Meine Liebe zu Büchern: Sophie von La Roche als professionelle Schriftstellerin
  • David James Prickett
Meine Liebe zu Büchern: Sophie von La Roche als professionelle Schriftstellerin. By Barbara Becker-Cantarino. Heidelberg: Winter, 2008. Pp. viii + 251. Paper €35.00. ISBN 978-3825353827.

Das Titelbild des ersten Bandes von La Roches Mein Schreibtisch (1799) ziert Becker-Cantarinos Buch: La Roche wird an ihrem Schreibtisch und vor ihrer Buchsammlung sitzend dargestellt. Dieses Bild fungiert als Emblem des literarischen und kulturellen Programms von La Roche und weist auf die enge Bindung—gar die Liebe—die La Roche als schreibende und als lesende Frau zu Büchern hatte. Dieser visuelle Zugang zu Becker-Cantarinos geschichtskultureller Analyse von La Roches Lebenswerk hilft einem dabei, Becker-Cantarinos Ziele besser zu verstehen und diesen zu folgen.

Zu Beginn ihrer Untersuchung bietet Becker-Cantarino einen Überblick vom aktuellen Forschungsstand zu La Roches Leben und Werk. Becker-Cantarinos Studie leistet mit bisher unveröffentlichten Texten und ihrer an Bourdieu angelehnten sozialgeschichtlichen “gendered” Perspektive einen Beitrag zu einem differenzierten Bild der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und symbolischen Rollen beider Geschlechter in dieser Epoche. Becker-Cantarino sieht La Roche nicht als “Produkt” oder Randfigur der Empfindsamkeit und Spätaufklärung, sondern als eine agierende Schriftstellerin und Kritikerin, die mit ihren Romanen, Briefen, Reiseberichten und weiteren Veröffentlichungen die Empfindsamkeit, Spätaufklärung und sogar die Romantik mitgestaltete. Daher plädiert Becker-Cantarino für eine Neubewertung von La Roches Literatur, vor allem von La Roches Geschichte des Fräuleins von Sternheim (1771), die oft als empfindsame Literatur bezeichnet und abgewertet wird. Obwohl La Roches Lieblingsmetapher von “Herz und Kopf” die Empfindsamkeit und den Pietismus widerspiegele, präge diese Metapher und La Roches Literatur auch die (Spät)Aufklärung.

Die in der Einleitung vorgeführte visuelle Strategie setzt Becker-Cantarino in den weiteren fünf Kapiteln fort. Das Abbild eines Briefes von La Roche an den Mannheimer Hofbuchhändler Schwan dient als Beweis für La Roches rege Korrespondenz mit Herausgebern und Literaten. Auch weist es auf die Thematik des ersten Kapitels hin—die “passive” Rolle der Leserin im 18. Jahrhundert. Becker-Cantarino zeigt, [End Page 639] dass lesende Frauen einen großen Einfluss auf die Literatur übten. Denker wie Kant und Lavater bezeichneten Frauen als “empfindsam”; sie seien “per Geschlecht” “gefühlvoll, subjektiv, lyrisch veranlagt” gewesen. Über diese Feststellung sei ein großer Markt für “Frauenliteratur” entstanden. Lesen und Schreiben unter Frauen sei nach wie vor von Männern kontrolliert worden, aber Becker-Cantarino legt dar, inwiefern Literatur Frauen nicht nur eine Rückzugsmöglichkeit, sondern auch eine Bereicherung zur “geistigen Leere der mechanischen Arbeit” schaffte.

In diesem Zusammenhang bespricht Becker-Cantarino den damaligen kulturellen Wandel bezüglich der Literatur: Die Literatur diene weniger der Erziehung von Frauen und viel mehr ihrer Vergnügung und Selbstentwicklung. La Roches Aufsatz “Über das Lesen,” der 1783 in ihrer Zeitschrift Pomona erschien, nehme nicht direkt an der “Lesesucht-Debatte” des späten 18. Jahrhunderts teil, aber er betone durchaus die Wichtigkeit des Lesens als “reflektierendes Selbstgespräch” für Frauen. Diese Art des Lesens habe Frauen in den gebildeten Ständen (u. a. La Roche) zu ähnlichen Schreibformen wie z. B. Briefen, der “Blumenlese” oder “Florilegien” geleitet. Anhand dieses Beispiels von La Roche stellt Becker-Cantarino die literarische Tätigkeit lesender und schreibender Frauen in ein neues Licht.

Becker-Cantarinos Analyse von La Roches literarischen und persönlichen Beziehungen zu Wieland setzt einen neuen Akzent in der Forschung zu La Roche, zu Wieland und zur “Frauenliteratur” im 18. Jahrhundert. Der “gendered” literarische Austausch zwischen La Roche und Wieland sei beispielhaft für deren Zeit: Über seine Bearbeitung und Veröffentlichung von La Roches Werken genoss Wieland nicht nur Anerkennung, sondern auch finanziellen Gewinn. Dies lasse sich an seiner Honorarverhandlung für den Sternheim-Roman zeigen. Wielands Interesse an La Roches literarischem Schaffen sei also weniger auf dessen Inhalt und viel mehr auf dem Zugang zum wachsenden Markt für “Frauenliteratur” basiert, den sich Wieland über seine Zusammenarbeit mit La Roche versprach. Je älter La Roche wurde, desto weniger Interesse zeigte Wieland an ihrem literarischen Schaffen—und an ihrer Person überhaupt.

La Roches Umgang mit dem Älterwerden stellt Becker-Cantarino positiv dar...

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