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  • Maskeraden des (Post-)Kolonialismus: Verschattete Repräsentationen ‘der Anderen’ in der deutschsprachigen Literatur und im Film
  • Sabine Wilke
Maskeraden des (Post-)Kolonialismus: Verschattete Repräsentationen ‘der Anderen’ in der deutschsprachigen Literatur und im Film. Herausgegeben von Ortrud Gutjahr und Stefan Hermes. Würzburg: Königshausen & Neumann, 2012. 365 Seiten + 10 s /w Abbildungen. €39,80.

Dieser Sammelband mit Beiträgen von Wissenschaftlern, die sich in den kolonialen und postkolonialen Studien in der Germanistik und in angrenzenden Fächern wie der Geschichte, der Film- und der Medienwissenschaft ausgewiesen haben, geht auf eine Ringvorlesung zurück, die die Herausgeber im Sommersemester 2008 am Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literatur und Interkulturelle Literaturwissenschaft an der Universität Hamburg koordiniert haben. Bis auf zwei Vorlesungen sind alle Vorträge in den Band aufgenommen und von zwei neu eingeworbenen Beiträgen ergänzt worden. Im Untertitel der Ringvorlesung war noch von “inszenierten Unter-Repräsentationen” die Rede, die im vorliegenden Band zu dem Konzept der Verschattung verdichtet wurden, mit großem Gewinn, denn so kann der Vorgang der Unter-Inszenierung der indigenen Figuren als ein komplexes Verfahren des Verbergens und Verschleierns verstanden werden.

In der neuen Aufstellung enthält der Band Aufsätze zur kulturgeschichtlichen Perspektive des deutschen Kolonialismus (Birthe Kundrus), zu kolonialen Maskeraden in Frieda von Bülows Romanen (Ortrud Gutjahr), Mischlingen in der deutschen Kolonialliteratur (Medardus Brehl), Inszenierungen von Verlebendigungen in der frühen deutschen Kolonialliteratur und in Thomas Pynchon (Sibylle Benninghoff-Lühl), Kafkas literarischen Schaustellungen des Fremden (Alexander Honold), Szenarien des Kolonialismus in den Medien des Kaiserreichs (Klaus Scherpe), zum Orientalismus im deutschen Kolonialismus der Phantasie (Axel Dunker), zum pazifischen Bezie-hungsgeflecht [End Page 453] (Christiane Weller), zu den Erzählstrategien in Paul Lindenbergs China- Romanen (Yixu Lü), zum literarischen Kolonialrevanchismus (Stefan Hermes), zu Kolonialkrieg und der Shoa in der Gegenwartsliteratur (Hansjörg Bay), zur Wiederkehr des Kolonialismus als Melodram im zeitgenössischen Fernsehen (Wolfgang Struck) und zur neokolonialen Modernisierung des deutschen Heimatfilms (Evelyn Annuß). Eine knappe Einleitung stellt die Einzelbeiträge in einen konzeptuellen Rahmen und eine Auswahlbibliographie zur Geschichte, Kultur und Literatur des (deutschen) Kolonialismus beschließt den Band, der damit einen gewissen Anspruch an Repräsentativität der hier geleisteten Auseinandersetzungen mit dem historischen deutschen Kolonialismus und seinen postkolonialen Spuren bekundet. Und mit Recht. Obwohl ich in einer Kurzrezension keine ausführliche Diskussion jedes einzelnen Beitrags leisten kann, möchte ich doch einige Schlaglichter nennen, die diesen Band, der mehrere Jahre auf sich hat warten lassen, auszeichnen.

Wie ich denke, hat sich das Warten gelohnt, denn der Band erschließt die wichtigsten topographischen Räume (Afrika, den pazifischen Raum, China) und figuralen und thematischen Topoi (Mischlinge, Masken, Schaustellungen, mediale Szenarien, Wüsten, Kolonialkriege, etc.) des deutschen Kolonialismus und seiner Effekte in zeitgenössischen Medien in Einzelanalysen, die interdisziplinär und komparatistisch zusammengefügt werden: Von der Kulturgeschichte zu beispielhaften literarischen Interpretationen zur Analyse der Medien zur Zeit des historischen Kolonialismus und bis heute werden die Felder, in denen sich der deutsche Kolonialismus als Kultur entfaltet hat, kritisch hinterfragt und die Strukturen der Inszenierung der Verschattung der ko-lonisierten Figuren aufgezeigt.

Ausgangspunkt ist die Überzeugung von der Maskerade als einer Repräsentationsstruktur, die einerseits das Verhältnis von Dominanz und Unterwerfung, das im Kolonialismus so zentral ist, eindeutig klären will und andererseits dieses Verhältnis gleichzeitig verschleiert. Wenn man mehr über diese Prozesse erfahren möchte, kann man in Ortrud Gutjahrs Beitrag zu Frieda von Bülows Romanen weiterlesen, wo die Notwendigkeit der kolonialen Maskerade erklärt wird als Verfahren der Anerkennung des Selbst innerhalb der eigenen sozialen Gruppe unter Ausschluss der Anderen (siehe 43). Gerade durch diese Strategie gewinnt die Darstellung kolonialer Interkultura-lität den Charakter einer Maskerade in Form einer komplexen Inszenierungspraxis (siehe 45).

Andere Gedanken, die zu einem komplexeren Verständnis von Verfahrensweisen des Kolonialismus als Kultur beitragen, sind die Idee vom Mischling als Provokation der Integrität eines als identitär entworfenen Volkskörpers (siehe 92), von plastischen Schilderungen brutaler Prügelszenen als Fest (siehe 96), von diversen Maskeraden des Tötens (siehe 117) und Travestien des ethnographischen Verfahrens in literarischen Schaustellungen (siehe 124), von der Nähe und Verflechtung von Kannibalismus und Anorexie als Imaginationsformen körperpolitischer Resistenz (siehe 131...

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