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  • Text-Bilder und ihre Kontexte. Medialität und Materialität von Einblatt-Holz- und -Metallschnitten des 15. Jahrhunderts
  • Jörn Münkner
Text-Bilder und ihre Kontexte. Medialität und Materialität von Einblatt-Holz- und -Metallschnitten des 15. Jahrhunderts. Von Sabine Griese. Zürich: Chronos, 2011, 672 Seiten + 66 farbige Abbildungen. €52,50.

Der schwergewichtige Band mit dem bindestrichreichen Titel (zugleich die Habilitati-onsschrift der Autorin) präsentiert eine umfassende deskriptive wie interpretatorische Analyse und historische Kontextbestimmung der frühen Holz- und Metallschnittdrucke. Fragestellungen aus Medien-, Literatur-, Buch- und Bildgeschichte bündelnd, schlägt die Studie mehrere investigative Schneisen durch das primär dem 15. Jahrhundert entstammende Materialkorpus. Es interessieren das Themenspektrum der vielfach kolorierten, einblättrigen Text-Bilder sowie ihre produktions- und rezeptionsästheti-schen Qualitäten, wobei der Untersuchung ca. 800 Exemplare zugrunde liegen. Hinzu tritt die Frage nach der Rolle der textierten Papierbilder für eine Beschreibung der bimedialen Kommunikationskultur im späten Mittelalter. Ein weiteres Augenmerk rich-tet sich auf die Stellung der Artefakte im Medienverbund der Zeit und ihr Verhältnis zu exklusiven Bilddrucken, typographischen Prints und den etwas später aufkommenden [End Page 420] Flugblättern, und es rückt die Matrix kultureller, religiöser, literarischer und ikonogra-phischer, medialer, (buch)marktökonomischer und gebrauchsspezifischer Faktoren in den Blick, in der die Hybrid-Medien ihr Spiel entfalten (5, 33, 443–450).

Die Einleitung hält einen Forschungsabriss parat, gibt Auskunft über die Leit-fragen und benennt die Desiderata der kulturwissenschaftlich-philologischen Ausein-andersetzung mit dem ikonotextuellen Material, das eher im Abseits der (spätmittelal-terlichen) Literaturgeschichte steht (11–44). Dagegen stellt die Autorin die Prämissen ihres Vorhabens, nämlich die Indienstnahmen der zumeist handlichen, gebrauchs-flexiblen, gleichwohl in Frömmigkeitsbezügen und einer lebendigen Gebets- und Andachtskultur fest verankerten Exemplare mit hohem Performanzpotential zu über-prüfen und neu zu bewerten. Auch wird der mehrdeutige Terminus der “Text-Bilder” (zu unterscheiden beispielsweise von den verwandten “gedruckten Bildern”) scharf gestellt: In den Text /Bild-Synopsen umstellen die Texte die Bilder, kommentieren, konkretisieren und infiltrieren sie, erzählen gegebenenfalls eigenständig, jedoch steht die Präsenz der Bilder immer im Vordergrund, zumal sie den ersten Blick auf sich ziehen und damit dominant gesetzt sind (20).

Die Untersuchung kommt angesichts solider Vorarbeiten zur vervielfältigten Graphik und zu anderen Druckmedien des 15. Jahrhunderts (auch Inkunabeln, die aber hier intentionsgemäß gänzlich unbeachtet bleiben) um eine Notwendigkeitserklärung nicht umhin: der begründende Verweis auf die unzureichend beforschte hybride Medi-alität (Texte und Bilder), spezifische Materialität und historische Semantik der Metall- und Holzschnitte sowie die souveräne Verortung des eigenen Projekts auf diesem Er-kundungsterrain plausibilisieren indessen das Vorhaben stichhaltig. Vor dem Hinter-grund der ab 1450 verfügbaren unterschiedlichen Vervielfältigungsverfahren für Bild und Wort /Inschrift /Text werden sodann in wenigen Strichen Xylographie und Typographie kontrastiert, Seitenblicke auf Albrecht Dürer—den Großmeister einer gleich-falls marktorientierten, jedoch idiosynkratischen, eher untextierten Graphikproduktion—geworfen, der Vertrieb von Bildern rekapituliert und die Erkenntnispotentiale von Medialität, Medienwechsel und Kommunikationstheorie für eine Germanistik als philologische Kultur-Medien-Wissenschaft konturiert.

Die folgenden drei Hauptkapitel (B, C, D) mit diversen Unterpunkten bilden den Kern des Bandes. Kapitel B (45–121) erfasst im ersten Abschnitt die graphischen Einblattdrucke deskriptiv- quantitativ und ordnet sie den untergliederten Hauptthe-menfeldern “Frömmigkeit, Didaxe, pragmatische Schriftlichkeit” zu. Ein nächster Abschnitt inspiziert das, was die Autorin die “Aggregatformen und Dispositive [der Text-Bilder]” nennt und damit deren mediale Konstitution (Form /Format) und op-tisches Präsentationsspektrum meint, also ob die Drucke als Medaillon, Klappbild oder Bilderfolge, ob sie als Andenkenblättchen oder Schaubild in die Wahrnehmung treten. Thematisiert werden auch darstellerische Auslassungen (d.h. “Nicht-Themen” wie antike und germanische Helden, Verheerungen erotischer Liebe, etc.), der einsatz-gebundene Sprachgebrauch (deutsch, lateinisch, niederländisch) sowie ausführlicher die Differenz zwischen den Text-Bildern und anderen Medienvertretern.

Kapitel C, das den größten Raum einnimmt und mit “Medialität—Abbreviatur und Kommunikation” überschrieben ist (123–363), führt auf den Parcours interpreta-torischer Tiefenbohrungen in das Material. Während der erste Abschnitt einen gründ-lichen, die Bildelemente beschreibenden, vor allem den Texten ihr Wortrecht einräu-menden Zugriff auf...

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