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Book Reviews277 Theorie bleiben, und er läßt dem Symbolisten glücklicherweise freien Lauf und untersucht gemäß seinem Untertitel "Motive und Gestalten" den Symbolgehalt aller Motive des Romans mit faszinierenden Spekulationen, etwa der fünfTage und Nächte auf dem Schiff als Chiffre der fünf Sinne, dem Eingesperrtsein im Zwischendeck als Gefangenschaft und dem Schiff selber als "eine Art nautischer Daseinsmetapher (46)." Nachdem Nicolai sämtliche Auslegungen der Verwandlung der Freiheitsstatue bei Kafka in eine Freiheitsgöttin mit dem hocherhobenen Schwert von Politzer bis Sokel ablichtet, macht er selber vorsichtig den 'Versuch (57),' einer Doppeldeutung: wie durch den Cherubim nach dem Sündenfall wird Karl der Rückweg blockiert; darüber proklamiert die amerikanische Freiheitsg öttin die vom Menschen formulierte und darum pervertierte Gerechtigkeit. Nicolai verwirft überzeugend das Zufallsmoment von Karls Begegnungen mit den verschiedenen Flankenfiguren; so wird Karl der Krisensituation einer atavistischen Regung (Heizer) durch den Gegenstoß der Disziplin (Onkel) enthoben, ihm Zugang zu den von der Gesellschadt tolerierten Bahnen ermöglichend. Wie Nocolais Kafka-Vorträge ob ihrer eigenwilligen Interpretation und Originalität immer lebhafteste Diskussionen auslösen, wirdder Leser dieses Bandes durch die Fülle und Vielfalt des Dargebrachten aufgestört und zu eigenen KafkaStudien angeregt. Nicolais zahlreiche Kafka-Veröffentlichungen sind bekannt genug, daß sich die häufligen Hinweise erübrigt hätten. INGEBORG L. CARLSON Arizona State University Klaus M. Rarisch. Das gerette Abendland, Songs und Hymnen; mit einem Nachwort von Jean Bréjoux. Gerbrunn: Wissenschaftlicher Verlag A. Lehmann, 1982. 135p. Klaus M. Rarisch, 1936 in Berlin geboren, noch heute dort ansässig, ist ein Phänomen in unserer form- und sprachlosen Ära. Seine Gedichte sind makellos. Das Sonett, Gipfel der lyrischen Kunst, ist sein geliebtestes Vehikel, nicht ohne Grund ist eines Platen zugeeignet, dessen nihilistische Lebensphilosophie der von Rarisch entspricht. Er ist ein Poet, aber ein böser, weil unbequemer; denn er gehört in die Kategorie 'poète maudit,' wie er selber manifestiert; "Poète maudit:" "Im Jahrmarkt vor dem Ringerzelt, ein Mensch im Humdezwinger bellt, der sich für Axel Springer hält: Dem Wansinn in die Finger fällt, wer sich als Meistersinger quält in dieser Fahnenschwinger-Welt." Das Aprosdoketon von Rarischs jüngster Anthologie von Gedichten "Das gerettete Abendland," erscheint in magischer Beschwörung dreimals, als Gedicht- überschrift, als Unterteilung für "Gesänge von Würde und Unantastbarkeit" und schließlich als Gesamttitel, eine Art Leitmotiv, über die Spenglersche Prognose hinausreichend: der Untergang ist furchtbar nahegerückt, und das Fragezeichen der bangen Widmung "Ach, wer rettet?," hängt wie ein dräuender Atompilz in der Luft. Entsprechend heißt es in "Sterbenslänglich:" 278ROCKY MOUNTAIN REVIEW "Der letzte Mensch verstummt in seinen Qualen und überläßt den Rest den Kannibalen. Die Geigerzähler hören auf zu ticken." Rarisch zieht die Register der gesamten deutschen Literatur für sein memento morí; er ist gründlichst belesen und treibt die dichterischen Assoziationen oft bis zur Travestie, um so einleuchtender die prekäre Lage des hilflos ausgesetzten Individuums aufzeigend; "Schicksalslied:" "Tapp ich vom Teppich einen Schritt jahrlang ins Ungewisse hin — ab bis zum Grab von Hölderin . . . denk, also bin ich? Hirn, faß Tritt!" Wie Goethe, der sich in den "Zahmen Xenien, 37" als Glied einer Kette betrachtet, so sieht sichRarischseitden Tagen des von ihm mit gleichgesinntenjungen Autoren proklamierten Ultmimismus als Epigone von Dada: "Was man sah seit Dada — /aha:/Medienmodenmarkttrara!" In den sechziger Jahren veranstaltete diese "Gruppe Vier +4" in einem ehemaligen Kohlenkeller, den sie 'Massengrab'nannten, ca. 200 Lesungen für die damals größte literarische Gesellschaft in Westberlin. Rarisch gab im Zusammenhang damit 1965 den "Ultimistischen" Almanach heraus und 1966-68die makabre Zeitschrifft "total," wie Dada ein alternativer Kampfruf und Warnung vor dem drohenden Weltuntergang . Rarisch bekennt sich zu Arno Holz, für dessen Wiedererweckung er seit 1965 kämpft, und dessen aufopfernder literarischer Nachlaßverwalter er seit Jahren ist. Einige Gedichte von Rarisch sind in der von Holz kreierten Mittelachsenkonstruktion verfaßt; "Denkmal des unbekannten Gammlers:" "Jesumann, geh du voran, du lockst die meisten Wähler an!" Auch Benn zählt Rarisch zu seinen Vorfahren; "Wenn schon, Benn schon: Entwicklungssohn ." Rarischs sarkastische, doppelbödige Verse aus "Rost und Kupfervitriol" zielen auf jeden, ob Bundesbürger...

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