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  • Medien und Medialität des Epischen in Literatur und Film des 20. Jahrhunderts. Bertolt Brecht—Uwe Johnson—Lars von Trier
  • Erdmut Wizisla
Medien und Medialität des Epischen in Literatur und Film des 20. Jahrhunderts. Bertolt Brecht—Uwe Johnson—Lars von Trier. Von Lothar van Laak. München: Fink, 2009. 375 Seiten. €49,90.

Im Mittelpunkt dieser Untersuchung, hervorgehoben auf dem Umschlag, steht das Epische, ein offener, schwieriger Begriff, um den einschlägige Lexika zumindest in dieser Formulierung gern einen Bogen machen. Diesem Mangel an Aufmerksamkeit sucht Lothar van Laak Abhilfe zu schaffen: “Diese Studie will das Epische aus der Medialität des Erzählens neu begründen: erzählanthropologisch, narratologisch, gattungsund medientheoretisch” (9). Einleitend sind dazu Untersuchungsaufgaben formuliert (vgl. 17): Was ist die Medialität des Erzählens? Wie verändert eine sich wandelnde Medialität dieses Erzählen? Und: Inwiefern kann Erzählen mittels der Medien auf sich wandelnde Medialität reagieren resp. inwiefern hat es darauf reagiert? Der Analyse der mit Fragen umrissenen Beziehungen geht die These voraus, dass Medien und die Medialität konstitutiv für die Bestimmung des Epischen sind (vgl. 22).

Die Arbeit besteht aus fünf Teilen. Nach der Einleitung widmet sich das zweite Kapitel unter anderem der “Medialität des Erzählens” mit Beschreibungen von Erzähler, Erzählsituation und Erzählfunktion. Etwas vage wirkt die kursiv gedruckte Beschreibung der Qualität des Epischen, die van Laak als eigene Summa am Ende des zweiten Kapitels liefert; darin heißt es u.a.: “Das Epische realisiert sich als ‘große Erzählung’ bzw. genauer und—auch wenn es seine ‘Arbeit am Mythos’ mitleistet— weniger mythisch verstanden: als ein an der Leiblichkeit ansetzender Erzählprozess und in seiner Gestalt als ein Erzählen offenen Anfangs, von großer oder langer Dauer, sich vervielfältigender Struktur mit Verweisungscharakter und tendenzieller Unabschließbarkeit” (83).

Das dritte Kapitel ist ein historischer kulturphilosophischer Aufriss. Ausgehend von der Figur des Rhapsoden verfolgt van Laak den Weg der Debatten um das epische [End Page 329] Sprechen, wie sie Herder, Goethe und Schiller, Hegel, Lukács, Benjamin, Döblin und die Theoretiker der frühen Erzähltheorie geführt haben. Das ist gründlich gearbeitet, liest sich aber über weite Strecken wie ein Forschungsbericht.

Das umfangreichste vierte Kapitel bringt Einzelanalysen zu den im Untertitel aufgeführten Buch- resp. Filmautoren Brecht, Johnson und von Trier, ergänzt durch Exkurse zu Filmen Fritz Langs (Die Nibelungen, 1924) und Margarete von Trottas (Jahrestage nach Johnson, 2000). Bei Brecht wird herausgearbeitet, wie die Konstituierung des Epischen im Theater erfolgt (untersucht am Beispiel Mann ist Mann) und wie sie durch mediale Erweiterungen die Möglichkeiten des Films erprobt und im “Dreigroschenprozeß” problematisiert wird. Den Dreigroschenroman liest van Laak schließlich als Aufnahme der Ergebnisse und Weiterentwicklung zu einer “medialen Erzählweise” (vgl. 220). Es ist zweifellos sinnvoll, das Epische bei Brecht nicht vorrangig im “epischen Theater,” sondern im Gattungsgefüge von Stücken, Prosa, Filmen und Schriften zu verorten. Van Laaks Darstellung der Beziehungen zwischen den Gattungen entspricht dabei aber nicht unbedingt Brechts experimentellem Arbeiten in den Jahren bis 1933. So ist die Vorstellung einer Abfolge etwas mechanisch, wenn es heißt, Brecht spiele die gestische und kommentarhafte Form des Epischen in der Prosa “noch einmal” durch, “um sie dann möglichst differenziert in seinem epischen Theater realisieren zu können” (221).

Johnsons “Schreibweise des Epischen” wird vor allem an Das dritte Buch über Achim und Jahrestage entfaltet. Für van Laak ist die Einbindung der Medien kein selbstreferentielles Spiel, sondern konstitutiver Bestandteil von Johnsons Schreiben (vgl. 261). Etwas irritierend wirkt der Hinweis, dass Johnsons “Erzählweise zwischen Thomas Mann und Bertolt Brecht zu verorten ist” (250).

Im Film bei von Trier bestimmt der Verfasser “die Konzeption des Epischen als unhintergehbar medial” (303). Anhand von Breaking the Waves (1996), Dancer in the Dark (2000) und Dogville (2003) arbeitet van Laak “eine filmische Neukonzeptualisierung des Leiblichen” heraus (314). Das fünfte Kapitel schließlich ist eine Zusammenfassung, in der ein Hinweis auf episch- rhapsodische Ursituationen in Christoph Ransmayrs Romanepos Der fliegende Berg auffällt (vgl. 346f.).

Lothar van Laak verbindet in seiner Untersuchung verschiedene Forschungszweige der Erzähltheorie mit Ansätzen der vergleichsweise noch jungen...

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