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  • E.T.A. Hoffmann. Leben—Werk—Wirkung
  • Dominik Müller
E.T.A. Hoffmann. Leben—Werk—Wirkung. Herausgegeben von Detlef Kremer. Berlin: de Gruyter, 2009. xvi + 666 Seiten + 10 s / w Abbildungen. €159,95.

Autoren-Handbücher haben Konjunktur. Bisher hat sich im deutschen Sprachraum vor allem der Metzler-Verlag damit einen Namen gemacht und den handlichen Autorenbändchen der legendären Sammlung Metzler einzelne großformatige Bände an die Seite gestellt, etwa über Heinrich Heine, Heiner Müller oder Paul Celan. Nun zieht der de Gruyter-Verlag nach. Sein Band über E.T.A. Hoffmann will offenbar nicht nur mit einem spröden Erscheinungsbild seinen wissenschaftlichen Seriositätsanspruch unterstreichen, sondern auch mit seinem stolzen Preis, der fast dreimal so hoch ist wie derjenige der Konkurrenzprodukte. Während der Herausgeber den Band als “Handbuch” bezeichnet (v), prangt auf dem Umschlag gar das Etikett “Lexikon.” Ansonsten kehren auf dem Band die Stichworte wieder, die man auch von den Handbüchern des Metzler-Verlags kennt: “Leben—Werk—Wirkung.”

Am deutlichsten tritt der Lexikoncharakter in zwei Abteilungen des Buches in Erscheinung: In einer Folge sehr nützlicher Kurzbiographien von “Bekannten und Zeitgenossen E.T.A. Hoffmanns” und in einer mit “Systematische Aspekte” überschriebenen Sammlung von Überblicksartikeln zu Stichwörtern wie “Arabeske,” “Phantastik,” “Serapiontik.” Die Beiträge dieses ausführlichen Glossars stellen Querbeziehungen her zwischen den Werken, die im Hauptteil des Buches einzeln behandelt werden, und wirken so der Gefahr der Zersplitterung entgegen, die einem Handbuch oder gar einem Lexikon innewohnt. 33 ausgewählte Werke sowie die drei sie größtenteils einschließenden Erzählzyklen (Fantasiestücke, Nachtstücke, Serapions-Brüder) kommen in den Genuss von Werkartikeln. Hinzu treten Kapitel über die Briefe und Tagebücher Hoffmanns, über seine musikalischen Werke, sein Wirken als Jurist und über die Rezeption. Dabei fehlt sonderbarerweise ein Kapitel über das bildkünstlerische Schaffen Hoffmanns, auf das immerhin in einem sehr informativen Artikel zur “Text-Bild-Relation” (in der Abteilung “Systematische Aspekte”) eingegangen wird. Den Anfang des Bandes bilden ein ausführlicher biographischer Abriss und sechs gewichtige Essays über die literarischen Traditionen und Diskurslandschaften (Psychologie, Medizin und Psychiatrie, Natur-und Sprachphilosophie), in die Hoffmanns Schaffen sich einfügt. Am Schluss steht eine Forschungsgeschichte.

In dieser breiten Anlage bietet der Band ein äußerst facettenreiches Gesamtbild, das nicht einfach nur das Hoffmann’sche Werk ausleuchtet, sondern auch umreißt, was dieses zur Voraussetzung hatte und was es auslöste. Die Akzente der neuen [End Page 304] Hoffmann-Forschung führen dabei unhinterfragt das Zepter. Die meisten Artikel stammen von Forscherinnen und Forschern, die in jüngerer Zeit Spezialuntersuchungen zu Hoffmann vorgelegt haben. Die Artikel gehen punktuell sehr ins Detail. Als spitzfindig erscheinen sie dort, wo man die Funktion des Spezialaspekts innerhalb einer Gesamtwürdigung des in Frage stehenden Werkes nicht mehr erkennen kann. Es wurde darauf verzichtet, die Artikelverfasser auf ein bestimmtes Schema zu verpflichten, so dass die Beiträge nicht nur in ihren Schwerpunktsetzungen, sondern auch in ihrer Machart erfrischend uneinheitlich sind. Das verhindert Monotonie und erlaubt es, mit Interesse mehrere Werkartikel nacheinander zu lesen, tut allerdings dem “Lexikon”-Charakter des Buches Abbruch. Dieses bedient weit eher ein Fachpublikum von Hoffmann- Kennern, die sich über neuere Tendenzen der Forschung ins Bild setzen möchten, als interessierte Laien, Schüler oder Bachelor-StudentInnen, die sich mit dem Autor oder einem einzelnen seiner Werk vertraut machten wollen.

Den Anspruch auf Basis-und Überblicksinformationen, auf die eher unspektakulären Handreichungen also, die man von einem Handbuch erwartet, speisen einige Artikelverfasserinnen und -verfasser etwas zu rasch ab. Dies ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass es ein Handbuch nicht bloß zu einer Auswahl sondern zum gesamten Werk Hoffmanns in versteckter Form schon gibt, das in seinem Informationsgehalt und seiner Qualität kaum einzuholen ist: die auf sieben Bände verteilten Kommentare zu der Ausgabe der Sämtlichen Werke Hoffmanns im Deutschen Klassiker-Verlag, für die Wulf Segebrecht und Hartmut Steinecke als Hauptherausgeber verantwortlich zeichneten. Die dort geleistete Arbeit wollte man offenbar nicht einfach reproduzieren und gestattet sich vielleicht auch deshalb Interpretationen, die Farbe bekennen und Einseitigkeit in Kauf nehmen. Darin liegt die Stärke dieses Hoffmann-Buches und zugleich seine Problematik als Autorenhandbuch oder gar als Hoffmann...

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