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  • Von der Heldensage zum Heroenmythos. Vergleichende Studien zur Mythisierung der nordischen Nibelungensage im 13. und 19. / 20. Jahrhundert
  • Bernhard R. Martin
Von der Heldensage zum Heroenmythos. Vergleichende Studien zur Mythisierung der nordischen Nibelungensage im 13. und 19. / 20. Jahrhundert. Von Matthias Teichert. Heidelberg: Winter, 2008. 414 Seiten. €64,00.

Angeregt von Bernhard R. Martins 1992 erschienener Studie Nibelungenmetamorphosen: Die Geschichte eines Mythos, untersucht Matthias Teichert im vorliegenden Band die altnordische Nibelungenüberlieferung und ihre Rezeptionsstufen in der deutschen Literatur nach 1800. Teichert erweitert den von Martin entwickelten rezeptionsorientierten Ansatz, der vor allem auf Hans Blumenbergs 1986 erschienener Studie Arbeit am Mythos basiert, um einen produktionsorientierten Aspekt und zeigt, “wie die Mythisierung im engeren Sinne [ . . . ] mittels eines relativ konstanten Inventars von Strategien einen ursprünglich amythischen Stoff zum Mythos stilisiert” (397). Aufbauend auf Arbeiten von Franz Rolf Schröder, Jan de Vries, Thomas Klein, Karl Kerényi et. al. entwickelt Teichert ein Analysemodell zur Beschreibung dieser Mythisierungsprozesse, die den zu mythisierenden Stoff an die Struktur und Erzählkonvention eines “echten Mythos” angleichen. In diesem primären Assimilationsvorgang entsteht ein “unechter Mythos,” der dann in einem sekundären Prozess, der “Arbeit am Mythos,” auf den herrschenden Grundmythos bezogen werden kann.

Im Zentrum von Teicherts Untersuchungen stehen die Heldenlieder des Codex Regius, die Ṿlsunga saga, Friedrich de la Motte Fouqués Der Held des Nordens (1808 / 1810), Richard Wagners Der Ring des Nibelungen und Wilhelm Jordans Doppelepos Nibelungen, dessen Teile 1868 und 1874 erschienen. Daneben werden auch weniger bekannte Adaptionen des Stoffes behandelt, wie zum Beispiel die Nibelungenballaden von Moritz Graf Strachwitz und das 1928 erschienene Trauerspiel Die Welsungen von Adolf Harmsen. Teichert beendet seinen Rundgang durch die “Nibelungen- Metamorphosen” mit einem schmalen Kapitel zum Thema “Nordische Nibelungen in der Postmoderne: Trivialisierung und Remythisierung des Stoffes,” in dem er unter anderem auf die in den 50er und 60er Jahren in Deutschland erschienene Comic- Reihe Sigurd, Harald Reinls Nibelungenverfilmung aus dem Jahr 1966 und diverse Nibelungenromane (Joachim Fernau, Disteln für Hagen; Jürgen Lodemann, Siegfried; Wolfgang Hohlbein, Hagen von Tronje etc.) aus den letzen zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts eingeht. Das mittelhochdeutsche Nibelungenlied bleibt weitgehend ausgeklammert.

Teicherts trotz der behandelten Stoffvielfalt übersichtlich angelegte und gut lesbare Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der “direkte Vergleich mittelalterlicher nordischer und moderner deutscher Nibelungendichtung dokumentiert, daß bei aller Differenz in Inhalt, Formen und entstehungsgeschichtlichen Rahmenbedingungen die Rezeption des Nibelungenmythos in beiden Textgruppen strukturell auf denselben Strategien und Mechanismen der literarischen Mythisierung basiert” (13). Obwohl Teicherts Studie bezüglich der Rezeption des Nibelungenstoffes wenig Neues anbietet, [End Page 291] stellt jedoch der Teil der Arbeit, der sich mit der Entstehung literarischer / unechter Mythen auseinandersetzt, einen wichtigen Beitrag zur Mythentheorie in den Literaturwissenschaften dar.

Bernhard R. Martin
Tufts University
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