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  • Zu H.G. Adlers Die Geschichte des Prager Jüdischen Museums
  • Franz Hocheneder

In den Literaturangaben von H.G. Adlers bekanntestem wissenschaftlichen Werk Theresienstadt 1941–1945. Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft (1955; 2., verb. u. erg. Aufl. 1960) ist ein Text mit dem Titel Die Geschichte des Prager Jüdischen Museums verzeichnet, der von Adler selbst stammt und zu dem er anmerkte: „Ms. London 1947. Vortrag in der Londoner Leo Baeck-Loge des B’nai B’rith über die museale Sammeltätigkeit und Arbeit unter Überwachung der SS.“1 Dieser Text wird hier zum ersten Mal vollständig veröffentlicht.2

H.G. Adler wurde am 2.7.1910 als einziges Kind des Buchbinders Emil Alfred Adler und seiner Frau Alice Adler-Fraenkel, eines bürgerlichen deutsch-jüdischen Paares, in Prag-Karolinenthal geboren und wuchs dort deutschsprachig auf. Er begann früh zu schreiben und promovierte 1935 an der Prager Deutschen Universität, wo er Musik-, Kunst-und Literaturwissenschaft sowie Philosophie und Psychologie studiert und sich damit auf eine akademische Karriere vorbereitet hatte. Hitlers Machtantritt, den Adler am 30.1.1933 in Berlin miterlebte, bereitete den beruflichen Plänen ein Ende.

In der zweiten Jahreshälfte 1938 versuchte Adler von Mailand aus nach Südamerika zu emigrieren, blieb jedoch schließlich in Prag hängen, nachdem er dort am Silvesterabend 1938 seine erste Frau, die Ärztin und Chemikerin Gertrud Klepetar, kennengelernt hatte. Ab dem 8.2.1942 war H.G. Adler zusammen mit seiner Frau und deren Eltern in Theresienstadt.

Gertrud Adler-Klepetar begründete und leitete in Theresienstadt das medizinische Zentrallaboratorium und hatte somit eine wichtige Stellung inne, die sie selbst und ihre Angehörigen über lange Zeit vor einem Weitertransport in ein Vernichtungslager schützte. Mit den Oktobertransporten 1944 kamen jedoch auch H.G. Adler, seine Gattin und deren Mutter (der Schwiegervater war bereits im April 1943 in Theresienstadt verstorben) nach Auschwitz. Das Leben der beiden Frauen endete bereits am Tage ihrer Ankunft (14.10.1944) in der Gaskammer. [End Page 159]

Am 28.10.1944 wurde Adler mit einem Transport ins Buchenwalder Nebenlager Niederorschel im Eichsfeld verschickt, ab dem 16.2.1945 war er im Lager Langenstein-Zwieberge bei Halberstadt, bis es US-amerikanische Truppen in der Nacht vom 12. zum 13.4.1945 befreiten.

Nach schwerer Krankheit kehrte Adler in der zweiten Junihälfte nach Prag zurück und stand dort vor dem Nichts. Insgesamt waren achtzehn seiner nahen Verwandten wie auch viele Freunde dem Nazi-Regime zum Opfer gefallen, von persönlichem Besitz war kaum mehr etwas übrig. Darüber hinaus wurde ihm wegen seiner deutschen Muttersprache die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft aberkannt.

Von Juli bis Dezember 1945 arbeitete H.G. Adler als Erzieher und Lehrer von aus den Lagern geretteten Kindern in Jugendheimen, die in der Nähe von Prag eingerichtet worden waren. Von 1.10.1945 bis Anfang Februar 1947 war Adler als Mitarbeiter des Prager Jüdischen Museums mit dem Aufbau eines Archivs der Verfolgungszeit und des Lagers in Theresienstadt betraut.

Am 11.2.1947 flog Adler mit einem nur vier Wochen gültigen Besuchervisum sowie dem festen Entschluss, nicht mehr nach Prag zurückzukehren, nach Großbritannien. Das Buch über Theresienstadt war sein erstes großes Arbeitsprojekt, der nachfolgende Vortrag sein erstes öffentliches Auftreten in dem von ihm gewählten Exilland.

Franz Hocheneder
Wien

Footnotes

1. H.G. Adler, Theresienstadt 1941–1945. Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft. Reprint der 2. Auflage mit einem Nachwort von Jeremy Adler. Göttingen: Wallstein, 2005, S. 706.

2. Vgl. auch Franz Hocheneder, H.G. Adler (1910–1988) – Privatgelehrter und freier Schriftsteller. Eine Monographie. Wien u. a.: Böhlau, 2009, S. 126–138. Das Vortragsmanuskript befindet sich im Deutschen Literaturarchiv (DLA), Schiller Nationalmuseum, Marbach am Neckar. Wir danken Herrn Professor Dr. Jeremy Adler und dem DLA für die Druckgenehmigung. [End Page 160]

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