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Petra Perry 337 Gronicka, André von, The Russian Image of Goethe: Goethe in Russian Literature of the Second Half of the Nineteenth Century. Philadelphia: University of Pennsylvania Press, 1985. Der zweite Band von von Gronickas The Russian Image of Goethe liegt nunmehr (siebzehn Jahre nach der Veröffentlichung des ersten) vor. Er umfaßt die Rezeption Goethes in der russischen Literatur von der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts bis zu den zwanziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, von Turgenev bis zu den Symbolisten. Von Gronicka hat sich eine eingehende Analyse der russischen literarischen Reaktion zu Goethe zur Aufgabe gestellt: "My foremost aim throughout the study is to give my readers the most comprehensive and authentic impression of Russian writers' reaction to Goethe, the man and the artist." Dabei verspricht er auch biographische, soziologische und historische Materialien zu Hilfe zu nehmen. Die fünf Kapitel des vorliegenden Bandes sind chronologisch, das heißt, der russischen Literaturgeschichte folgend, angeordnet: der Goetherezeption Turgenevs folgt die der Liberal- und Radikaldemokraten, der Slavophilen, der Imagisten (die "reinen Dichter"), Tolstois, Dostoevskis und schließlich der Symbolisten. Auffallend ist die offenbare Ablehnung des "klassischen" Goethe bei allen außer den Imagisten und den Symbolisten. Immer wieder entzündet sich die Kontroverse am Faust, besonders dem zweiten TeU des Werkes, welcher von so ungleichartigen Dichtern wie Turgenev, dem Imagisten Fet, Dostoevski und Tolstoi abgelehnt wird: Faust II ist zu allegorisch-abstrakt, zu philosophisch-kalt, zu künstlich. Man kritisiert Goethes soziale und politische Gleichgültigkeit, das Wort "Fürstendienertum"—von Turgenev zum ersten Mal angewendet—erscheint wieder bei Tolstoi. Selbst die Verehrer des "klassischen" Goethe (Imagisten, Symbolisten) möchten ihn zu einem Romantiker umfunktionieren. Besonders die Symbolisten (Ivanov sei hier steUvertretend genannt) glauben im Goetheschen Werk irrationale, mystische Tiefen entdecken zu können. Den fünf Kapiteln des Buches schließen sich Anmerkungen, bibliographische Hinweise und zwei Register ("Personennamen" und "Goethes Werke") an. Die Bibliographie verzeichnet auffallend wenige Hinweise auf Goethe-Sekundärliteratur. Vor aUem die Kritik der letzten zehn Jahre, die sich mit der Problematik des herkömmlichen Goethebildes auseinandersetzt, bleibt unberücksichtigt. Trotz der vom Verfasser in der Einführung angekündigten "eklektischen" Arbeitsmethodik ist von Gronickas Studie vorwiegend positivistischer Natur mit gelegenüichen kurzen Textanalysen. Sie ist ein Kompendium, eine "phUologische Fundgrube" (so Edmund KostÃ-ca), doch nach des Verfassers Worten keineswegs vollständig. Auch im Interesse der Vollständigkeit wäre ein sechstes Kapitel wünschenswert gewesen, das dem Leser die Ergebnisse der vorliegenden Materialiensammlung vermittelt hätte. Das in der Einführung zu beiden Bänden erwähnte Zitat von Michael Gorlin: "In dem Verhältnis zu Goethe spiegelt sich die ganze geistige Entwicklung Rußlands," zeigt wohl—entgegen der einführenden Bemerkung von Gronickas—das wirkliche Ziel dieser Studie. Für den Germanisten oder Goethe-Spezialisten ist der vorliegende 338 GOETHE SOCIETY OF NORTH AMERICA Band deshalb weniger von Bedeutung. Es wäre jedoch interessant, die russische Sicht auf Goethe und sein Werk als Ausgangspunkt einer Infragestellung des etabUerten GoethebUdes—der engen literaturhistorischen Perspektive des späten neunzehnten Jahrhunderts entwachsen—heranzuziehen. Offenbar standen die russischen Literaten nicht im Bannkreis des deutschen Klassik-Mythos, der in Deutschland (und Amerika) erst in der Folge der rezeptionsästhetischen Bemühungen von Hans Robert Jauß und Wolfgang Iser problematisiert wurde. Und damit komme ich zum letzten Punkt meiner Kritik: von Gronicka erwähnt nicht die Möglichkeit einer Revision des deutschen Goethebildes auf Grund der russischen Rezeption, im GegenteU, er scheint diese gegen eine, wie er impUziert, abgeschlossene, fest umrissene Goetheauffassung abzuwägen. Als gelungene Rezeptionsstudie sei dieser Mikhail Bakhtins Rabelais and His World entgegengehalten, in der Bakhtin ein gründüches Verständnis, das heißt, eine Darlegung der historischen Bedeutung einer positiven oder negativen BeurteUung anstrebt. So auch Edward Said zu diesem Thema: Writing cannot materially exist ... without a network of agencies that limit, select, arrange, shape and maintain writing in such a way as to make writing take on a particular form at a particular time (Interview: Diacritics 6 [1976], 34-5). Diese wohl für deutsche ebenso wie für russische Literaturkritiker bedeutsame Problematisierung der Uteraturgeschichtlichen Sehensweise fehlt bei von Gronicka. Eine lesbare und interessante, aber für den Germanisten nur bedingt...

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