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  • Eine Welt aus Sprache. Zum Werk von Gerlind Reinshagen. Eine kritische Anthologie
  • Dagmar Jaeger
Eine Welt aus Sprache. Zum Werk von Gerlind Reinshagen. Eine kritische Anthologie. Herausgegeben von Helga Kraft und Therese Hörnigk. Berlin: Theater der Zeit, 2007. 242 Seiten. €18,00.

Diese Anthologie hat zum Ziel, in das Gesamtwerk der weniger bekannten Dramatikerin und Romanautorin Gerlind Reinshagen einzuführen. Das Buch trägt diesem Ziel voll Rechnung. Eine allgemeine Einführung in die Arbeit Reinshagens und ein Interview mit ihr aus dem Jahre 2006 stehen am Anfang des Buches. Die weiteren 15 Beiträge sind in drei Teile gegliedert, die sich mit Reinshagens Theaterstücken und mit ihrer Prosa befassen. Ein Schlusskapitel stellt Reinshagens lyrische Arbeit vor.

Die ersten beiden Artikel untersuchen das Theaterstück Doppelkopf, mit dem Reinshagen im Februar 1968 unter der Regie von Claus Peymann am Theater am Turm (TAT) in Frankfurt debütierte. Der erste Aufsatz zu Doppelkopf enthält detaillierte Hintergrundinformation über die Arbeit von Reinshagen und Peymann, der zweite zeigt den geschichtlichen Kontext der 68er und beschreibt u.a. die weitere Zusammenarbeit der Dramatikerin mit Peymann in den kommenden Jahren ausführlich. Im dritten Teil der Anthologie werden in Einzelanalysen fünf Dramen im Detail beleuchtet. Durch die Analysen wird besonders deutlich, dass die Dramatikerin oft ihrer Zeit voraus war, wie zum Beispiel in Leben und Tod der Marilyn Monroe aus dem Jahre 1970. Das im Stück problematisierte Verhältnis zwischen den Geschlechtern und die Entartung der (männlichen) gesellschaftlichen Konstruktion der Weiblichkeit am Beispiel der Ikone Marilyn Monroe haben der Untersuchung zufolge eine äußert starke sozialkritische Komponente. Verwunderlich ist es vielleicht deshalb nicht, dass die Uraufführung 1971 am Darmstädter Landestheater und die sieben Jahre spätere Inszenierung am Schiller-Theater in Berlin von der Kritik negativ bewertet wurden, bevor das Stück von den deutschsprachigen Bühnen verschwand. Als innovativ deutet auch die Abhandlung zu Reinshagens Ton-Collage das 1992 erschienene Theaterstück Drei Wünsche frei. Mit einem Tonband reproduziert Reinshagen technische Geräusche, musikalische Klänge, tierische und menschliche Geräusche. Diese Kreuzung aus Massenmedien und Theatralität ergibt eine interessante Konstellation aus technischem Chor und zwei Protagonisten, die die Geräusche als Bedrohung empfinden, gleichzeitig aber von dem Medium beherrscht werden. Ein weiterer ausführlicher Beitrag beleuchtet das bemerkenswerte Drama Sonntagskinder aus dem Jahre 1975, in dem die Dramatikerin den Fokus auf die Privatsphäre während des Zweiten Weltkrieges lenkt. Die Analyse führt vor, wie im Drama die öffentliche Sphäre des Dritten Reiches die Privatsphäre einnimmt, zum Beispiel durch den Zusammenbruch zwischenmenschlicher Beziehungen aus Angst vor Denunziation oder durch die Absorbierung der Alltagssprache in eine Sprache, die nationalsozialistisch und rassistisch aufgeladen ist. Mit dieser Thematik gehörte Reinshagen in den siebziger Jahren zu den ersten AutorInnen, die die Diskussion um die Vergangenheit von der öffentlichen auf die private Ebene umgelenkt haben. Weitere zur Diskussion gestellte Dramen sind Tanz, Marie! (1987) und Die grüne Tür (1999).

Im vierten, vorletzten Teil der Anthologie wenden sich die Beiträge Reinshagens Prosa zu. Die Untersuchung zu Göttergeschichten (2000) zeigt, wie der Text Repräsentanten aus Literatur, Musik und Film, aber auch aus der Popkultur zu Wort kommen lässt, die Strömungen und gesellschaftliche Diskurse repräsentieren und zur Diskussion stellen, somit Orientierung und Leitbild sein wollen. Am Beispiel eines [End Page 444] fiktiven Zusammentreffens zwischen Marilyn Monroe und Che Guevara am Ende des Textes beleuchtet der Beitrag, wie Reinshagen das Subjekt und Subjektivität hinter der Fassade einer Rolle verschwinden lässt und somit die Suche nach Authentizität in den Vordergrund rückt. Ein weiterer Beitrag stellt vor, wie in verschiedenen Prosatexten die Stadt Berlin als Metapher des Ausgeliefertseins und der Krankheit gelesen werden kann; der Aufsatz zum Roman Am großen Stern (1996) arbeitet die Erziehungsideen des Protagonisten Falk heraus und stellt diesen Erziehungsdiskurs u.a. in einen historischen Kontext. Die letzten drei Abhandlungen stellen Vom Feuer (2006) in den Mittelpunkt und erörtern auch, wie dieser Roman als Autobiografie zu verstehen sein könnte.

Sieben Gedichte Reinshagens, die als Lyrikerin bis heute so gut wie noch keine Beachtung gefunden hat, komplettieren die Anthologie und runden...

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