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  • Selbstbestimmtes Leben um 1800. Sophie Mereau, Johanna Schopenhauer und Henriette von Egloffstein in Weimar und Jena
  • Barbara Becker-Cantarino
Selbstbestimmtes Leben um 1800. Sophie Mereau, Johanna Schopenhauer und Henriette von Egloffstein in Weimar und Jena. Von Julia Di Bartolo. Heidelberg: Winter, 2007. 384 Seiten. €54,00.

Die vorliegende Arbeit geht drei interessanten literarischen, mit Weimar und Jena verbundenen Frauenbiografien aufgrund ausführlicher Quellenforschung unter dem [End Page 426]Aspekt des "selbstbestimmten Lebens" nach. Die als Dissertation an der Universität Jena (2005) entstandene und großzügig von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Jenaer Sonderforschungsbereich "Ereignis Weimar—Jena. Kultur um 1800" geförderte Arbeit kann viele neue Erkenntnisse und Details zum kulturellen Leben um 1800 bringen und reiht sich damit in die vielen innovativen, wichtigen Erschließungsarbeiten ein, die aus diesem Forschungsbereich hervorgegangen sind. Während die reichen Quellen im Umkreis von Weimar-Jena fast ausschließlich im Hinblick auf die Großen und besonders Goethe vielfach publiziert, bearbeitet und immer wieder interpretiert worden sind, kommen nun die kulturgeschichtlich relevanten Themen wie Orte der Wissenschaftskultur, Hof und Adel, Kommunikationsstrategien oder Geschlechter-beziehungen und Aufklärung und die mindestens ebenso interessanten und wichtigen Wirkungskreise von Persönlichkeiten wie Bertuch (K. Middell, 2002; Borchart / Dressel, 2004; J.A. Schmidt-Funke, 2005), der Verleger Froriep (W. von Häfen, 2007), der Kunsthistoriker Carl Ludwig Fernow (R. Wegner, 2005) und nun auch die Frauen mit neuen Forschungen in den Blick. Ein biobibliografisches Lexikon von über 130 künstlerisch-literarisch oder auch gesellschaftlich aktiven FrauenGestalten Weimar—Jena um 1800unter der Herausgeberschaft von S. Freyer, K. Horn und N. Grochowina ist in diesem Jahr erschienen.

In ihrer hervorragend recherchierten, die reiche historisch-kulturgeschichtliche und literarische Sekundärliteratur vorbildlich reflektierende Arbeit verknüpft und analysiert Julia Di Bartolo mit Fokus auf Weimar-Jena die Lebensentwürfe und Wirkungskreise von Sophie Mereau (1770–1806), Johanna Schopenhauer (1766–1838) und Henriette von Egloffstein (1773–1864) und situiert diese im Weimarer und Jenenser Milieu sowie den Zeitumständen. Hier sind besonders die ergiebigen und akribischen Grundlagenforschungen zu den drei Frauen hervorzuheben (autobiografische Aufzeichnungen, Briefwechsel, Zeitschriftenartikel, Werke, Dokumente in der Stiftung Weimarer Klassik, im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar und diversen Literaturarchiven und Bibliotheken), die diese Arbeit erschlossen hat.

Unter den strukturellen Rahmenbedingungen, die für die Handlungsspielräume dieser Frauen ausschlaggebend waren, berücksichtigt Di Bartolo die rechtlichen und sozialen Normen, die Werte wie Bildung, Ehe, Familie und Liebe, und die individuellen Lebensumstände von Stand und Status und wirtschaftlicher Situation. Sie kann zeigen, wie alle drei, die aufgrund ihres Standes, ihrer Bildung und ihrer wirtschaftlichen Situation privilegiert waren, von den rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch machten, Entscheidungen herbeiführten und eigene Interessen durchsetzen konnten (wie Johanna Schopenhauer in Verhandlungen mit Verlegern) und bei der auch in Sachsen-Weimar-Eisenach bestehenden Geschlechtsvormundschaft ihre juristischen Möglichkeiten genutzt haben (wie Sophie Mereau in der Trennung vom ungeliebten Mann). Erst die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zwangen Henriette von Egloffstein und 1819 auch Johanna Schopenhauer zum Verlassen von Weimar und "hemmten die gewünschte Entfaltung der eigenen Fähigkeiten" (91). Bei den Erwartungen und Intentionen der drei Frauen waren ihr hohes Maß an Bildung und ihre Belesenheit in Literatur ausschlaggebend für die Wahl Weimars bzw. Jenas als Aufenthaltsort, um ein selbstbestimmtes Leben zu arrangieren. Dabei waren das universitäre Milieu in Jena für Sophie Mereau, die sozialen, gesellschaftlichen Netzwerke in Weimar für Johanna Schopenhauer für die schriftstellerischen Arbeiten und Erfolge grundlegend. Für Henriette von Egloffstein, die sich in Weimar in Sprach-, Mal-und Musikunterricht [End Page 427]weiterbildete, war das höfische Milieu und Beziehungsnetzwerk mit einflussreichen Personen in Weimar und anderen Höfen eine Voraussetzung für die Umsetzung ihres Lebensentwurfes.

Die vorliegende Untersuchung resümiert, dass "die Teilhabemöglichkeiten von Frauen um 1800 vielfältig waren und sich nicht nur auf das Haus beschränkten" und zeigt drei Lebensentwürfe auf "literarisch-künstlerischem oder geselligem Gebiet" (263). Sie betont den "Zusammenhang zwischen dem Raum Weimar-Jena und den sozialen Wechselbeziehungen" (268) für die Teilhabe und Handlungsspielräume der Frauen. Julia Di Bartolo liefert damit weitere Beispiele 'kultureller Emanzipation' wie sie etwa Anke Bennholdt-Thomsen für die (als Altphilologin arbeitende) Christine Reiske (1735–1798) recherchiert hat...

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