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Reviewed by:
  • A Nation of Victims? Representations of German Wartime Suffering from 1945 to the Present
  • Marisa Siguan
A Nation of Victims? Representations of German Wartime Suffering from 1945 to the Present. Edited by Helmut Schmitz. Amsterdam and New York: Rodopi, 2007. 261 pages. $73.00.

Der 2002 erschienene Roman Im Krebsgang von Günter Grass drückte zwei Harry Potters in den Bestsellerlisten nach unten. Die Fernsehserie "Die große Flucht" über die Vertreibung der Deutschen aus den damaligen deutschen Ostgebieten erreichte um die 5 Millionen Zuschauer (Einschaltquote: 16%). Uwe Timms Roman Am Beispiel meines Bruders über den Tod seines Bruders, Mitglied eines Regiments der Waffen-SS an der Ostfront, erschien im Frühjahr 2003 und erreichte allein bis zur Frankfurter [End Page 636] Buchmesse desselben Jahres vier Auflagen. Der im März 2006 vom ZDF gesendete Film Dresden über eine Liebesgeschichte zwischen einem englischen Bomberpiloten und einer deutschen Krankenschwester während der Bombardierung von Dresden erreichte eine Hörerquote von über 30%. In den letzten Jahren ist das Thema der Leiden der Deutschen als Opfer des Krieges nahezu allgegenwärtig in der deutschen Kulturszene, und scheint den größten Paradigmenwechsel in der Erinnerungskultur der Deutschen seit dem Historikerstreit der 80er Jahre abzugeben. Die Perspektive wendet sich von den Opfern des Nationalsozialismus zum Tätervolk und erzeugt entsprechende Debatten.

Der von Helmut Schmitz herausgegebene Band widmet sich der Wiederkehr des Kriegsleidens in der gegenwärtigen deutschen Erinnerungskultur in Literatur und Film; er analysiert die Darstellungsformen dieses Leidens in Beiträgen von deutschen, englischen und israelischen Germanisten, Geschichts- und Kulturwissenschaftlern. Eine fundierte und präzise Einführung gibt eine Übersicht über die wichtigsten Aspekte der derzeitigen Debatten über die Darstellungen der Deutschen als Opfer von Krieg und Vertreibung und über die wachsende Zahl wissenschaftlicher Forschungsarbeiten darüber. Zentral ist die Beschäftigung mit der Frage der Spannung zwischen den öffentlichen und den privaten Formen der Erinnerung, mit der Feststellung der angeblichen Diskrepanz zwischen ihnen, die im öffentlichen Diskurs der Erinnerungskultur eine große Rolle spielt. Schmitz bezieht sich auf Aleida Assmanns Begriff des "Gedächtnisrahmens" als ein über den heterogenen individuellen Erfahrungen liegendes narratives Raster, Produkt kollektiv homogenisierender Impulse. Er beschäftigt sich mit den Ergebnissen des Forschungsprojektes "Tradierung von Geschichtsbewusstsein," die eine Diskrepanz zeigen zwischen dem durch die Bilder der Naziverbrechen bestimmten öffentlichen Diskurs und den durch Bilder des Leidens und des Heroismus bestimmten privaten Erfahrungen. Die Institutionalisierung der Erinnerung des Holocaust, die in den Diskussionen um das Berliner Holocaust-Denkmal zum Beispiel eine besonders sichtbare Rolle spielte, wird als ein nicht unproblematischer Prozess gesehen: In dem Maße, in dem der Holocaust für das Schaffen einer von der Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus bestimmten kollektiven Identität instrumentalisiert wird, wird die Spannung zwischen einer homogenisierenden öffentlichen Erinnerungskultur und der individuellen, privaten Erinnerung vergrößert. Bemerkenswert ist, dass die Aufmerksamkeit gegenüber einer "täterzentrierten" Erinnerung gerade zur Zeit der Institutionalisierung der Erinnerung an den Holocaust als öffentlicher Erinnerung erscheint. So hat in den letzten Jahren eine Proliferation divergenter Erinnerungen an den Nationalsozialismus stattgefunden. Zugleich entwickelt sich eine problematische Globalisierung der Erinnerungskulturen.

Der Band geht Fragestellungen nach, die aus diesem komplexen Erinnerungsrahmen hervorgehen und leuchtet die deutsche Erinnerungskultur seit der Nachkriegszeit aus, indem literarische und filmische Dokumente sowie auch der öffentliche Diskurs über die Vergangenheit analysiert werden.

Die verschiedenen Analysen der Beiträge sind um vier Themenkomplexe strukturiert. Der Anfang wird mit der unmittelbaren Nachkriegszeit gemacht. Eine der ersten Feststellungen ist, dass die heroisierende Erinnerung des Leidens aus dem Täterkollektiv im öffentlichen Diskurs nie verdrängt wurde, dass also das angebliche Auseinanderklaffen zwischen privatem und öffentlichem Erinnerungsdiskurs näher [End Page 637] zu analysieren ist. Das wird anhand folgender Dokumente gezeigt: "Germans in the Lager. Reports and Narratives about Imprisonment in Post-War Allied Internment Camps" (Gregor Streim), "Die, von denen man erzählt, dass sie die kleinen Kinder schlachten. Deutsche Leidenserfahrungen und Bilder von Juden in der deutschen Kultur nach 1945. Zu einigen Texten Wolfgang Weyrauchs" (Hans-Joachim Hahn), "The Representation of Wehrmacht Soldiers as Victims in Post-War German Film: Hunde, wollt ihr ewig leben? und Der Arzt von Stalingrad" (Helen Wolfenden).

Der zweite Teil widmet sich mit zwei Beiträgen den politischen...

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