Die Entstehung von Goethes Werken in Dokumenten (review)

Selbst im Bereich der gebeutelten Literaturwissenschaften sind noch Wunder möglich, vorausgesetzt, der Wille zum Wunder, Energie zu seiner allmählichen Verfertigung und maieutische Unterstützung sind gegeben. Das Wunder: Die Wiederaufnahme und Fortführung der 1949 konzipierten und 1958 begonnenen Dokumentation der Entstehung von Goethes Werken in Dokumenten, mit dem Versprechen mindestens 12 weiterer Bände sowie einiger Sonderbände (vgl. Bd. III, xvi). Der Wille und die Energie: verkörpert vom Begründer des Werks, Momme Mommsen, zusammen mit seiner Frau, Katharina. Beide riefen im Jahr 2001 die Mommsen Foundation for the Advancement of Goethe Research ins Leben. Katharina Mommsen trieb auch nach dem Tod ihres Mannes (2001) die Fortführung des Werkes voran. Die Unterstützung: kam im Verlauf der verwickelten Ost-West-Biographie der Mommsens zunächst von der Akademie der Wissenschaften der DDR (Bde. I und II). Die Mommsens verbrachten nach dem Berliner Mauerbau (1961) einige nicht ganz einfache Jahre an der Freien Universität Berlin und gelangten schließlich über Kanada an die Stanford University. Die Akademie der Wissenschaften in Göttingen und das dortige Seminar für Deutsche Philologie nahmen sich des ehrgeizigen Projekts an, der de Gruyter Verlag hat die beiden ersten Bände vom Berliner Akademie-Verlag im Reprint übernommen und führt nun mit Band III die EGW, so das unvermeidliche Akronym, weiter.

Ziel der Ausgabe ist, wie Momme Mommsen 1958 in seiner "Einleitung" in Band I ausführt, "für das gesamte Schaffen Goethes die entstehungsgeschichtlichen Urkunden zugänglich zu machen, und zwar in erreichbarer Vollständigkeit" (Bd. I, xiii). Die "historischen Verhältnisse und gedanklichen Hintergründe" des Goetheschen Werkes zugänglich zu machen (ebd.), in heutiger Terminologie also ein monumentaler Versuch der Kontextualisierung der Werke Goethes auf der Grundlage seiner eigenen Äußerungen und, in beschränktem Maße, auch 'sekundärer' Quellen. Hans Gerhard Gräf hatte von 1901 bis 1914 in 8 Bänden Goethe über seine Dichtungen veröffentlicht und je zwei Bände der Lyrik und der Epik und vier Bände Goethes dramatischem Werk gewidmet. Da Gräfs Bände zur Lyrik (1912–1914) den Kriterien Mommsens hinsichtlich der Kontextinformationen genügten, hatte er sich entschieden, die Lyrik nicht neu zu bearbeiten. Folgendes wird also in den alphabetisch geordneten Bänden der EGW von Goethes Werken berücksichtigt: "dramatische, epische und autobiographische Werke; wissenschaftliche Schriften aller Fächer; Übersetzungen; Herausgabe von Zeitschriften, Briefwechseln, Werkausgaben; Projekte und verlorengegangene Schriften" (Bd. I, xvii). Was nicht berücksichtigt werden sollte, weil bereits anderweitig zureichend in seinem entstehungsgeschichtlichen Kontext dokumentiert, war nach Momme Mommsens Vorstellung: "Gedichte [Gräf, III, siehe oben]; Amtliche Schriften [4 Bde. hrsg. von Willy Flach und Helma Dahl, 1950ff.]; Prosasprüche [Heckers Ausgabe der Maximen und Reflexionen]; unbestimmte Paralipomena" (Bd. I, xvii). Katharina Mommsen hat nun aber in ihrer Einleitung zum 3. Band angekündigt, daß "nach...